Deutsche Soldaten berichten dem EKD-Ratsvorsitzenden von Afghanistan

"Was müssen Sie aushalten"

Drei Tage lang war der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland Präses Nikolais Schneider in Afghanistan. Gespräche mit deutschen Polizisten und Soldaten standen auf dem Programm. Es gab viele neue Erkenntnisse. Und viele Fragen.

Autor/in:
Dorothea Siegle
Militärbischof Dutzmann: War mit Präses Schneider schon vor Ort (epd)
Militärbischof Dutzmann: War mit Präses Schneider schon vor Ort / ( epd )

So fühlt sich Krieg an: Zwei Soldaten erzählen den evangelischen Besuchern aus Deutschland von dem ersten Gefecht, das ihr "Ausbildungs- und Schutzbataillon" hinter sich hat. Wie es ist, wenn die erste Kugel in einem Fahrzeug der Patrouille einschlägt. Wie man selbst zurückschießt. Wie zwei Kameraden getroffen werden. "Was müssen sie aushalten", sagt Nikolaus Schneider zu den zwei Soldaten bei seinem Besuch im Norden Afghanistans.



Drei Tage lang waren der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms und der evangelische Militärbischof Martin Dutzmann in Afghanistan. Sie haben zivile Organisationen in Masar-i-Scharif besucht, mit deutschen Polizisten gesprochen, die afghanische Polizisten ausbilden, mit Soldaten, die in Gefechten standen und solchen, die die afghanische Armee beraten, mit Kompaniefeldwebeln, mit Sanitätern, mit Truppenpsychologen und interkulturellen Einsatzberatern. Es gab viele neue Erkenntnisse. Und viele Fragen.



Die Frage nach der neuen Taktik

Da ist die Frage nach der neuen Taktik der Bundeswehr: Funktioniert das Konzept, Aufständische aus einem Distrikt wie Baghlan zusammen mit afghanischen Sicherheitskräften zu verdrängen, zeitnah zivile Projekte zu unterstützen und am Ende den befriedeten Distrikt an die Afghanen zu übergeben? Momentan gebe es weniger Angriffe, erzählt ein Major des ASB-Bataillons zum Stand der Dinge.



Eine leise Hoffnung auf Verbesserung ist im Bundeswehrlager zu vernehmen. Aber neben den normalen ISAF-Truppen sind auch internationale und deutsche Spezialkräfte in der Region, um Taliban festzunehmen - oder im Falle eines Gefechts auch zu töten. "Das ist ein Punkt, an dem ich mich frage, wo wir da friedensethisch mitgehen können. Oder wo wir auch beim Hinnehmen Probleme kriegen", sagt Nikolaus Schneider.



Und die zivilen Hilfsorganisationen?

Dann ist da die Frage nach den zivilen Hilfsorganisationen in Afghanistan. "Dieser Bereich verdient viel mehr Aufmerksamkeit", sagt Renke Brahms, der Friedensbeauftragte der EKD. "Hier entstehen beeindruckende Projekte. Die Politik müsste mehr tun, um diese in den Fokus zu rücken."



Der Leitende Theologe bedauert, dass nicht über einen Gedenkort für die Opfer der zivilen Organisationen gesprochen wird. Dass es keinen Staatsakt für den Mitarbeiter des Bundesentwicklungsministeriums gab, der im Dezember in Afghanistan getötet wurde. "Und was mich noch mal sehr beschäftigt: Wir begleiten Soldatinnen und Soldaten mit der Seelsorge in der Bundeswehr. Aber wo gibt es eigentlich eine Begleitung der zivilen Helfer?"



Und die Militärseelsorge

Schließlich gibt es auch neue Fragen für die Militärseelsorge: Die Soldaten, die in der Region Baghlan kämpfen, sind in einem vorgelagerten Außenposten "OP North" stationiert, mit acht Warmwasserduschen für 600 Mann, jeden Tag Fertigessen, Schlafen in Zehn-Mann-Zelten, keinerlei Privatsphäre. Und immer sind die Soldaten der Gefahr ausgesetzt, angegriffen zu werden, sechs Monate am Stück - im Frühjahr könnten die Gefechte wieder zunehmen.



Die Bundeswehr wünscht sich für dieses Bataillon einen eigenen Militärseelsorger, das haben die Soldaten den drei EKD-Vertretern mit auf die Heimreise gegeben. Momentan sitzen die zuständigen Militärseelsorger im Feldlager in Masar-i-Scharif, 150 Kilometer weit entfernt.



"Diesen Wunsch nach einem eigenen Seelsorger müssen wir nach allen Seiten bedenken", sagt Militärbischof Dutzmann. "Es liegt eigentlich auf der Hand, dass dort Seelsorge gebraucht wird", sagt der Theologe. Zugleich müsse die Kirche aber versuchen, möglichst realistisch einzuschätzen, wie stark dann die Gefährdung für die Militärpfarrer wachse.