Die EU kann sich nicht nicht auf eine Position beim Thema Religionsfreiheit einigen

Christen benennen?

Im Europaparlament war es vor kein Problem, fraktionsübergreifend den Schutz verfolgter Christen etwa in Ägypten oder dem Irak anzumahnen. Den Außenministern ist es nun dennoch nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Verurteilung von Übergriffen gegen religiöse Minderheiten zu einigen. Die Streitfrage: Soll die EU die verfolgten Christen nennen?

Autor/in:
Christoph Lennert
 (DR)

Grund ist, dass Italiens Außenamtschef Franco Frattini Änderungswünsche an dem vorbereiteten Entwurf vortrug. Nach Angaben von EU-Diplomaten legte Frattini Wert darauf, dass die Christenverfolgung ausdrücklich in der Erklärung genannt werde. Er soll dabei von Frankreich unterstützt worden sein. Andere Staaten hätten sich skeptisch geäußert. Die erforderliche Einstimmigkeit blieb aus. Das Papier wurde zurück an die Arbeitsgruppen verwiesen.



Den Unmut seiner Amtskollegen zog sich Frattini zu, weil die vorbereitete Erklärung in Arbeitsgruppen, Komitees und auf Botschafterebene unter den 27 EU-Staaten abgestimmt worden war - Italien inklusive. Dort wurden die Änderungswünsche Roms aber offenbar nicht vorgetragen. Mehrere EU-Staaten sollen dem Vernehmen nach jedoch auch Bedenken haben, eine bestimmte verfolgte Minderheit - wie die Christen - eigens zu nennen.



Im Europaparlament war es vor etwa zehn Tagen kein Problem, fraktionsübergreifend den Schutz verfolgter Christen etwa in Ägypten oder dem Irak anzumahnen. Die Europaabgeordneten forderten die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton und die EU-Institutionen auf, dem Thema Religionsfreiheit und dabei auch der Lage der Christen mehr Aufmerksamkeit zu widmen. An die EU-Außenminister richteten sie den Appell, sie sollten konkrete Schritte beschließen, "um den bedrohten christlichen Glaubensgemeinschaften überall in der Welt Sicherheit und Schutz zu bieten".



Kirchen bedauern

Im Entwurf, der den Außenministern vorlag, war dagegen nur davon die Rede, dass die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton konkrete Schritte zum Schutz der Religionsfreiheit weltweit machen sollte. Alle terroristischen Akte gegen Gebetsstätten sollten darin entschieden verurteilt werden. Das alles stand aber eigentlich schon in einer EU-Erklärung zur Religionsfreiheit, die von den Außenministern im November 2009 ebenfalls auf italienisches Betreiben verabschiedet worden war. Kein Wunder, dass sowohl bei der Vertretung der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) in Brüssel als auch bei der katholischen EU-Bischofskommission COMECE die Entschließung des Europaparlaments den Vorzug erhält. Beide kirchlichen Institutionen bedauerten, dass es am Montagabend unter den EU-Außenministern keine Einigung gab.



Das Thema Religionsfreiheit war von den Außenministern Italiens, Frankreichs, Polens und Ungarns zu Jahresbeginn auf die Tagesordnung gebracht worden. Sie reagierten damit auf das Attentat auf koptische Christen in Alexandria in der Silvesternacht mit mehr als 20 Toten. Unter den verfolgten religiösen Minderheiten machen gegenwärtig die Christen unbezweifelbar den größten Anteil aus. Geht es um Hinrichtungen im Iran oder um die Unterdrückung von Oppositionellen in Weißrussland, beschränkt sich die EU auch nicht darauf, ihre Ablehnung der Todesstrafe oder ihr Eintreten für die Meinungsfreiheit ganz allgemein zum Ausdruck zu bringen.



Sinneswandel deutet sich an

Gewiss: Eine unzweideutige Haltung der EU in Menschenrechtsfragen gibt es ohnehin nicht. Während am Montag gegen Weißrusslands Präsidenten Alexander Lukaschenko neue EU-Sanktionen verhängt wurden, empfing in der Vorwoche EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso Usbekistans Staatschef Islam Karimow, der sich freilich selbst eingeladen hatte.



Doch gerade mit Blick auf die jüngsten Ereignisse in Tunesien und Ägypten deutet sich in der EU ein Sinneswandel an. Recht eindeutig verlangten die EU-Außenminister für Ägypten einen geordneten Übergang sowie freie und faire Wahlen. Es sei falsch zu glauben, die Einschränkung von Freiheitsrechten garantiere Stabilität, sagte Guido Westerwelle (FDP) nach den Beratungen der Außenminister mit Blick auf die Lage in Nordafrika. Bleibt abzuwarten, ob die EU-Außenminister diese Erkenntnis auch auf die Verfolgung religiöser Minderheiten und dabei besonders der Christen anzuwenden bereit sind.