Islam-Experte teilt Politiker-Sorgen um Ägyptens Zukunft nur bedingt

Islamisten an die Macht?

Die Gefahr einer Machtübernahme durch Fundamentalisten in Ägypten ist nach Ansicht des katholischen Islam-Experten Peter Hünseler eher gering. Für die "Generation Facebook" unter der Protestlern gehörten Islamisten schon zum "alten Eisen", sagte der Leiter der Christlich-islamischen Begegnungs- und Dokumentationsstelle der deutschen Bischöfe gegenüber domradio.de.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Die Proteste kämen aus grundsätzlich eher "unideologischen Richtungen", so Hünseler am Montag (31.01.2011) im Interview mit domradio.de. Allerdings könne man Genaues zur Zukunft des Landes zum jetzigen Zeitpunkt nicht sagen. Sicher sei, dass das Militär eine entscheidende Rolle spiele. Auch wenn es Präsident Mubarack stürze, werde es alles tun, an seinen Privilegien festzuhalten.



Peter Hünseler leitet seit 2004 die Christlich-Islamischen Begegnungs- und Do­kumentationsstelle in Frankfurt am Main. CIBEDO ist die Arbeitsstelle der Deutschen Bischofskonferenz für christlich-muslimi­sche Angelegenheiten und fördert den interreligiösen Dialog. Hünseler war vorher für die Friedrich-Ebert-Stiftung in Ägypten, den Verei­nigten Arabischen Emiraten, Jordanien, Israel und Marokko tätig.



FDP: Erinnerungen an Iran

Angesichts der dramatischen Zustände in Ägypten hatten einige deutsche Politiker vor einer Machtübernahme durch islamische Fundamentalisten gewarnt. Der "Bild"-Zeitung sagte der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder: "Wofür die Opposition in Ägypten eigentlich steht, ist derzeit völlig unklar. Es ist fraglich, ob nicht die Moslem-Bruderschaft oder andere Islamisten von den Protesten profitieren - und das Land in eine andere Richtung steuern, als wir es wünschen."



Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete und Außenpolitiker Bijan Djir-Sarai äußerte Befürchtungen, fundamentalistische Kräfte könnten die Situation ausnutzen. Djir-Sarai zog einen Vergleich mit der Situation im Iran. Die Bilder aus Kairo erinnerten an den Sturz des persischen Schahs 1978. Danach hätten islamistische Fanatiker die Macht im Iran übernommen.



"Nicht nur Potentaten gestützt"

Hünseler sieht in den Protesten vor allem einen Ausdruck der Unzufriedenheit über Jahrzehnte währende Bedingungen wie "hohe Arbeitslosigkeit und schlechte Bildungsmöglichkeiten". Die Religion dagegen spiele nur eine untergeordnete Rolle. Der Islamwissenschaftler rechnet nach Tunesien, Ägypten, Jordanien und Jemen auch mit Widerstand in Algerien und Marokko.



Langfristig könne der Nahe Osten nur zu einer Friedensregion werden, wenn "soziale Kohärenz" gegeben sei. "Es kann nur im Sinne des Westens sein, wenn es zu einer Demokratisierung kommt." Auf diesem Weg müsse man die Länder unterstützen und dafür sorgen, dass die richtigen politischen Kräfte an die Macht kommen.



Vorwürfe gegen die internationale Gemeinschaft wies der Islamwissenschaftler zurück. Man habe "nicht nur Potentaten gestützt". Zum Beispiel habe man über die Arbeit der Nichtregierungs-Organisationen in der Vergangenheit viel erreicht. Grundsätzlich aber müsse die Politik alte Position überdenken und "ein Stück mehr Ehrlichkeit" in manchen Fragen an den Tag legen.