Pax Christi kritisiert das neu beschlossene Afghanistan-Mandat

"Vage" Zeichen auf Abzug

Nach gut neunjährigem Einsatz am Hindukusch hat die Bundeswehr erstmals eine Abzugsperspektive: Ende des Jahres kann die Rückführung der deutschen Truppen beginnen, wenn es die Lage erlaubt. Das beschloss der Bundestag am Freitag und verlängerte im neuen ISAF-Mandat zugleich den Militäreinsatz um ein weiteres Jahr. Pax Christi geht das nicht weit genug.

 (DR)

Der Plan der Regierung sei "viel zu vage", sagte am Freitag (28.01.2011) im Interview mit domradio.de Veronika Hüning, Vizepräsidentin der katholischen Friedensinitiative.  "Er ist so formuliert, dass immer noch kein Abzug stattfinden könnte." Zum anderen fehle ein politisches Gesamtkonzept, das für Frieden in Afghanistan sorgen könne.



Für den Antrag der Bundesregierung stimmten 420 Abgeordnete bei 116 Gegenstimmen und 43 Enthaltungen. Das entspricht einer Zustimmung von 72,5 Prozent. Sie fiel damit etwas geringer aus als noch bei der letzten ISAF-Mandatsentscheidung vom Februar, als 73,2 Prozent der Abgeordneten für eine Verlängerung stimmten.



Auch die Zustimmung in der Bevölkerung zu dem Einsatz geht weiter zurück. Laut dem am Freitag veröffentlichten ZDF-Politbarometer halten 37 Prozent der Bürger das militärische Engagement Deutschlands am Hindukusch für richtig. Im Vormonat waren es noch 38 Prozent und vor einem Jahr sogar 45 Prozent gewesen.



Koalition sieht keine Alternative zum weiteren Einsatz

Voraussetzung für einen Abzug ist die Übergabe der Sicherheitsverantwortung von der Internationalen Schutztruppe ISAF an die Afghanen. Unions-Fraktionsvize Andreas Schockenhoff (CDU) äußerte sich zuversichtlich, dass dieser Prozess noch in diesem Jahr beginnen könne. Der Aufbau der afghanischen Sicherheitskräfte komme "spürbar voran", die Aufständischen seien "spürbar in der Defensive, militärisch und politisch". Schockenhoff betonte: "Niemand möchte länger als unbedingt notwendig Kampftruppen in Afghanistan belassen." Das sei wohl Konsens im Parlament.



FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger warb in der abschließenden Debatte um breite Zustimmung auch in den Oppositions-Fraktionen. Für die Soldaten im Einsatz sei es wichtig, "dass sie die Rückendeckung des Deutschen Bundestages haben". Eine Zustimmung zum Mandat sei mit gutem Gewissen auch deshalb möglich, weil es nach neun Jahren im Einsatz erstmals eine Abzugsperspektive gebe.



Opposition schwankt zwischen Ja und Nein

SPD-Chef Sigmar Gabriel begründete die Zustimmung der SPD zum neuen Mandat mit der nach wie vor gültigen Begründung der Vereinten Nationen, dass Afghanistan kein Rückzugsort für Terroristen sein dürfe. Jetzt gebe es erste Erfolge und "erstmals eine realistische Chance auf eine Trendwende" in dem Land. Diese Gelegenheit müsse genutzt werde, um mit einem Abzug zu beginnen und den Druck auf eine dauerhafte interne Lösung zu verstärken. "Wer 2011 nicht anfängt, wird 2014 nicht aufhören", sagte Gabriel und forderte, die Übergabe der Sicherheitsverantwortung mit der schrittweisen Reduzierung der Truppenpräsenz zu verbinden.



Die Grünen bekräftigten dagegen ihre Skepsis. Im neuen Mandat sei weder ein Abzugsplan klar geregelt noch seien die Bedingungen für die weiteren Hilfen festgehalten, kritisierte Fraktionschef Jürgen Trittin. "Sie haben keine Aufbau- und keinen Abzugsplan vorgelegt", sagte er an die Adresse der Koalition. Zudem hätte die Bundesregierung klarstellen müssen, dass es auch nach 2014 eine zivile Präsenz geben werde. Daher könnten die Grünen der Vorlage nicht zustimmen.



Die Linke lehnte den weiteren Bundeswehreinsatz strikt ab. "Terrorismus kann man nicht mit der höchsten Form des Terrorismus, mit Krieg, bekämpfen", sagte Fraktionschef Gregor Gysi und warf den anderen Parteien vor, bereits mit der Bombardierung von Belgrad im Jahr 1999 eine "Kriegskoalition" eingegangen zu sein.



Querschüsse auf Guttenberg

Die SPD nutzte die Afghanistan-Debatte, um den Rücktritt von Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu fordern. Wer als Minister öffentlich sage, ihm sei es "völlig wurscht", ob ein Abzug vom Hindukusch 2011, 2012 oder 2014 beginne, der sei "schlicht und ergreifend fehl am Platz", sagte Gabriel. Da Guttenberg gegenwärtig mit der Selbstverteidigung in aktuellen Bundeswehr-Affären statt mit strategischer Führung seines Hauses befasst sei, müsse Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Konsequenzen ziehen.