Kölner Generalvikar zur Zölibats-Debatte

"Es geht um ein Mehr an Glauben, Hingabe und Liebe"

Die Diskussion um den Zölibat laufe in "die völlig falsche Richtung", warnt der Kölner Generalvikar Dominik Schwaderlapp im Interview mit domradio.de-Chefredakteur Ingo Brüggenjürgen. Es werde keine Weitergabe des Christentums geben ohne Hingabe. Wenn Priester nicht mehr bereit seien, sich ganz zu verschenken, werde es auch mit mehr Priestern nicht gelingen.

 (DR)

domradio.de: Wie bewerten sie den Vorstoß der CDU-Politiker?

Schwaderlapp: Ich halte diesen Brief für kontraproduktiv, um es pointiert zu formulieren. Ich bin der Überzeugung, wenn es den Zölibat bis heutet nicht gäbe, müsste man ihn einführen. Ein Priester ist ein Repräsentant Christi, er soll Christus in dieser Welt präsent gegenwärtig machen. Das bedeutet auch die Hingabe Jesu für die Menschen. Und der Zölibat ist die Lebensform, die eben dem am nächsten kommt. Und die deutlich macht: der Priester ist kein religiöser Beamter, nicht ein bezahlter Kultdiener, sondern jemand, der sein Leben verschenkt für diesen Christus, der faszinierend ist, und die Menschen, denen er Christus bringen möchte.



domradio.de: Die Verfasser Briefes geben an, sie sorgten sich um die Kirche - dazu führen sie den Priestermangel an...

Schwaderlapp: Das muss man in rechten Relationen sehen. Wenn ich in die Weltkirche schaue, dann gibt es junge Kirchen in Afrika, in Südamerika, die im Verhältnis zu den Gläubigen viel weniger Priester haben als wir - aber die sehr lebendig sind und sehr wachsen. Es kommt auf einen Aufbruch im Glauben an, auf Hingabe und Einsatz. Und dann können wenige Priester sehr viel erreichen. Und wenn ich darüber hinaus dann noch einmal in die Relationen in unserem eigenen Land und unserem eigenen Erzbistum schaue und vergleiche die Zahl der Priester mit denen, die in den 50er Jahren zur Heiligen Messe gegangen sind, und vergleiche die Zahl der Priester, die wir jetzt haben, und den Gläubigen, die jetzt zur Heiligen Messe gehen, haben wir im Verhältnis sogar mehr Priester als damals.



domradio.de: Faktisch fühlen die Menschen aber in ihren Gemeinden einen Priestermangel. Muss man darauf nicht reagieren?

Schwaderlapp: Die Fragen müssen wir ernst nehmen. Und wir müssen auch feststellen, dass wir weniger Priester haben als vor 10 oder 20 Jahren. Aber wir kommen von einem sehr hohen Niveau. Das ist, wenn ich das so sagen darf, Klagen auf hohem Niveau. Wir haben jetzt noch über 1000 Priester in unserem Erzbistum, die tätig sind. Und wenn die Menschen zum Aldi oder einem anderen Geschäft Kilometer weit fahren, muss man ihnen auch zumuten, zukünftig ein paar Kilometer bis zur Heiligen Messe zurückzulegen. Die Menschen waren noch nie so mobil wie jetzt. Und die Anzahl an Kirchen: Die Hälfte der 1200 Kirchen in unserem Bistum wurden nach dem Krieg gebaut. Das heißt vor dem Zweiten Weltkrieg mussten die Menschen generell viel mehr Kilometer zurücklegen, um sonntags die Heilige Messe mitfeiern zu können. Wir müssen wieder den Wert der Heiligen Messe als das große Geschenk entdecken. Und dann werden wir auch Wege dafür zurücklegen können. Das bedeutet ein Umdenken. Das bedeutet ein Umdenken bei uns Priestern: Wir müssen den Gläubigen helfen, das zu verstehen und auch sich innerlich auf den Weg zu machen. Und wir müssen dann auch den Gläubigen helfen, sich äußerlich auf den Weg zu machen: Fahrgemeinschaften zu bilden, Wege zu finden, wie man die Heilige Messe besuchen kann. Und wenn wir da zu einem Aufbruch des Glaubens kommen; zu einem - im übertragenen Sinne - auch mobileren Christentum, dann wir auch die Zahl der Berufungen wieder wachsen.



domradio.de: Trotzdem noch mal nachgefragt: Lässt sich das Thema überhaupt innerhalb einer Landeskirche entscheiden?

Schwaderlapp: Natürlich ist das ein Thema, das in der Weltkirche behandelt wird. Und ich könnte es mir jetzt leicht machen und formal sagen: Das ist kein Thema der Ortskirche hier in Deutschland. Ich möchte nur dagegen auch noch inhaltlich halten. Ich halte diese Diskussion für eine, die in die völlig falsche Richtung geht. Es wird keine Weitergabe des Christentums geben ohne Hingabe. Wenn Priester nicht mehr bereit sind, sich ganz zu verschenken für diese Aufgabe, dann wird es auch mit mehr Priestern nicht gelingen. Es geht um ein Mehr an Glauben, ein Mehr an Hingabe und ein Mehr an Liebe. Und um das Zutrauen, dass Gott auch heute noch so faszinierend ist, dass er junge Menschen dazu bewegt, zu ihm ganz ja zu sagen und sich ganz zu verschenken. Ich musste ja manchmal wirklich ein wenig schmunzeln, dass uns Priestern immer von den Menschen, die den Zölibat nicht leben, vorgehalten wird, wie schwierig doch der Zölibat zu leben sei. Ich glaube, Ehe und Zölibat sind beides Herausforderungen, die den ganzen Menschen erfordern in zwei unterschiedlichen Lebensweisen, die jeweils Hingabe erfordern. Und ohne diese Hingabe wird unsere Welt ärmer und unsere Kirche ärmer und der Glaube ärmer. Deshalb zähle ich darauf, dass wir nicht suchen, wie können wir es billiger machen, sondern wie können wir zu einem neuen Aufbruch kommen.



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