Die Abschiedsbriefe der Moltkes als Buch

In Bienenstöcken versteckt

Am 23. Januar 1945 starb Helmuth James von Moltke. Hingerichtet von den Nazis wegen seines Widerstands gegen ihr Regime. Bis zuletzt wechselte er täglich vertrauliche Briefe mit seiner Frau Freya. Wie durch ein Wunder blieb die Korrespondenz erhalten - und wurde nun veröffentlicht.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

"Wir werden jetzt Tag und Nacht gefesselt und dadurch ist das Schreiben sehr schwierig." Berlin Tegel, im Herbst 1944: Der Jurist und Widerständler Helmuth James von Moltke wartet auf seinen Prozess vor dem Volksgerichtshof - und auf seine Hinrichtung. Während sowjetische Truppen auf seine Heimat Kreisau in Schlesien vorrücken und Freunde und andere Widerstandskämpfer nach dem Hitler-Attentat vom 20. Juli gefoltert und ermordet werden, wechselt der 37-Jährige täglich vertrauliche Briefe mit seiner Frau Freya.



Es geht um ihre Liebe und die Lage auf dem Gut Kreisau. Es geht um die tiefe Ergebenheit in das, was beide Gottes Willen nennen, aber auch um den Widerstand und um Wege zur Rettung, etwa durch ein Gnadengesuch an SS-Chef Himmler. Nun liegt die wie durch ein Wunder erhaltene Korrespondenz zwischen dem Kopf der Widerstandsgruppe "Kreisauer Kreis" und seiner Frau Freya unter dem Titel "Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel" in den Buchhandlungen.



Die rund 600 Seiten umfassende, im Beck-Verlag erschienene Korrespondenz beginnt Ende September 1944 mit der Verlegung Helmuths vom Konzentrationslager Ravensbrück in das Strafgefängnis Tegel. Sie endet mit dem Tag seiner Hinrichtung am 23. Januar 1945. Und mit einem Brief Freyas, der abbricht, als sie die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhält.



In tiefster Not in Gottes Hand

Es ist ein erschütternder Briefwechsel zweier Menschen, die sich in tiefster Not in Gottes Hand fühlten und gleichzeitig politisch dachten und handelten. "Wir hatten fast vier Monate, um Abschied voneinander zu nehmen, ein Mann und eine Frau. Der Höhepunkt unseres gemeinsamen Lebens - die schwerste Zeit unseres gemeinsamen Lebens", so schaute Freya von Moltke auf diese Phase ihres Lebens zurück. Das Paar war getrennt durch Gefängnismauern und doch ganz nah beieinander.



Dass es noch unveröffentlichte Briefe gab, war bekannt. Doch erst Anfang 2010 wurde deutlich, dass der Briefwechsel zwischen Helmuth und Freya von Moltke aus den letzten Wochen vor seiner Hinrichtung wie durch ein Wunder komplett erhalten ist - einschließlich der Briefe Freyas, von denen kaum jemand außerhalb der Familie wusste. Der evangelische Gefängnispfarrer Harald Poelchau, der Moltke regelmäßig besuchen durfte, hatte unter Einsatz seines Lebens die Briefe der Eheleute ins Gefängnis hinein und auch wieder herausgeschmuggelt. Ihm und seiner Frau Dorothee ist daher der Band gewidmet.



Freya brachte die Briefe Helmuths sowie ihre eigenen Briefe, die Poelchau ihr immer zurückbrachte, regelmäßig nach Kreisau. Sie musste jederzeit mit "Sippenhaft" und der Konfiszierung des Gutes rechnen. Die Bienenstöcke in Kreisau erwiesen sich als sicherer Aufbewahrungsort. Später ließ die promovierte Juristin die Briefe von britischen Militärangehörigen nach Berlin bringen.



Große Teile wurden schon veröffentlicht

Freya verstand diesen Briefwechsel mit ihrem Mann in den drei Monaten vor seiner Hinrichtung als ihren ganz persönlichen Schatz, den sie nur wenigen Familienangehörigen zeigte. Kurz vor ihrem Tod im Januar 2010 hat die 98-Jährige, die am kommenden 29. März 100 Jahre alt geworden wäre, die Korrespondenz dem Marbacher Archiv zusammen mit weiteren Dokumenten aus der Familie von Moltke übergeben - mit der Auflage, die Briefe frühestens ein Jahr nach ihrem Tod zu veröffentlichen.



Große Teile des Briefwechsels des Paares waren schon in den vergangenen Jahrzehnten veröffentlicht worden. Helmuths Briefe aus der Zeit vor seiner Haft sind 1988 unter dem Titel "Briefe an Freya" veröffentlicht worden. 2009 folgte der Band "Im Land der Gottlosen" mit seinen Briefen an Freya aus der Haft im Gefängnis des KZ Ravensbrück. Die langen Briefe vom 10. und 11. Januar 1944, in denen Helmuth von seinem Prozess vor dem Volksgerichtshof berichtete, hatte Freya bereits 1946 in englischer Sprache veröffentlicht. Sie sah darin eine Art Vermächtnis ihres Mannes. Eine deutsche Ausgabe unter dem Titel "Letzte Briefe aus dem Gefängnis Tegel" folgte 1950.



Hinweis: "Abschiedsbriefe Gefängnis Tegel", C. H. Beck Verlag, München 2011, 608 Seiten.