Welthungerhilfe kritisiert Fehlentwicklungen bei der Welternährung

Krise ohne Folgen und Ende

Ein Drittel der Getreideproduktion wird an Tiere verfüttert – nur ein Beispiel für Entwicklungen auf dem Weltmarkt, die das aktuelle "Handbuch Welternährung" verurteilt. Aus der Ernährungskrise infolge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 wurden demnach kaum Konsequenzen gezogen.

 (DR)

Der Vizepräsident der Welthungerhilfe, Klaus Töpfer, forderte auch deshalb am Freitag (21.01.2011) mehr Transparenz bei der Spekulation mit Nahrungsmitteln und Anbauflächen in Ländern der "Dritten Welt". Es müsse deutlich werden, welchen Einfluss dies auf das Lebensschicksal unzähliger Menschen habe, sagte Töpfer bei der Vorstellung des "Handbuch Welternährung" der Welthungerhilfe.



Nach Töpfers Einschätzung gibt es derzeit eine "massiv betrieben Spekulation" mit landwirtschaftlicher Anbaufläche weltweit und bestimmten Grundnahrungsmitteln. Laut Welthungerhilfe wird die Getreideproduktion weltweit zunehmend für Viehfutter und die Agrartreibstoffe verwendet. Inzwischen werde bereits ein Drittel der gesamten Getreideproduktion an Tiere verfüttert. Die Preissteigerungen träfen vor allem die Ärmsten der Armen.



Töpfer kritisierte, dass bislang kaum bekannt sei, wie viel Agrarfläche Spekulanten oder Regierungen von Drittländern etwa in Afrika aufgekauft hätten. Die Böden würden dann zumeist durch industrielle Anbaumethoden genutzt, was wiederum die kleinbäuerlichen Strukturen verdränge. Außerdem seien die Anbaumethoden oft nicht nachhaltig. Laut Welthungerhilfe nutzt allein Europa zur Nahrungsmittelversorgung inzwischen 35 Millionen Hektar Anbaufläche auf anderen Kontinenten.



Ändernde Essgewohnheiten in Schwellenländern

Als weiteren Grund für steigende Preise nannte Töpfer die sich ändernden Essgewohnheiten insbesondere in Schwellenländern. Aus diesem Grund sei damit zu rechnen, dass bei einem Wachstum der Weltbevölkerung auf neun Milliarden Menschen bis zur Mitte des Jahrhunderts ein Bedarf an Nahrungsmitteln für statistisch zwölf Milliarden Menschen entstehe.



Die Versorgung mit Nahrungsmitteln sei zu einer Frage der globalen Sicherheit geworden, mahnte Töpfer unter Verweis auf die Hungeraufstände Mitte 2008 in Ägypten, Haiti und Kamerun. Ein grundsätzliches Verbot des Börsenhandels mit Nahrungsmitteln hielt er aber für nicht sinnvoll, da dies auch der Absicherung gegen künftige Risiken dienen könne. Allerdings müssten gerade extreme Preisschwankungen vermieden werden.



In dem Handbuch, das zum vierten Mal erscheint, analysieren die Autoren den derzeitigen Zustand der Welternährung und gehen auf politische Maßnahmen gegen Hunger und Unterernährung ein. Im dritten Teil machen sie Vorschläge zur Verbesserung der Situation. Dabei geht es auch um die Verantwortung des einzelnen Konsumenten beim Einkauf und bei den Ernährungsgewohnheiten.



Die Welthungerhilfe mit Sitz in Bonn ist nach eigenen Angaben eine politisch und konfessionell unabhängige Hilfsorganisation und arbeitet unter einem ehrenamtlichen Präsidium und der Schirmherrschaft des Bundespräsidenten. Seit ihrer Gründung 1962 förderte sie rund 5.500 Projekte in mehr als 70 Ländern mit 1,9 Milliarden Euro.