Kirche mahnt Berlusconi-Italien zu strikterer Moral und Legalität

"Ruby-Gate" erreicht Vatikan

Ruby-Gate", der Fall des minderjährigen italomarokkanischen Callgirls und ihrer Beziehung zu Ministerpräsident Silvio Berlusconi, hat nun auch den Vatikan erreicht. Der Heilige Stuhl sei besorgt über die Vorgänge in Italien, erklärte nun Kardinalstaatssekretär Tarcisio Bertone.

Autor/in:
Johannes Schidelko
 (DR)

Die Kirche erwarte gerade von Spitzenpersönlichkeiten in Politik, Verwaltung und Justiz den Einsatz für eine striktere Moral, einen Sinn für Gerechtigkeit und Legalität, so Bertone am Donnerstagabend. Gerade Politiker müssten sich ihrer Vorbildrolle für Familien und Jugend bewusst sein, so der zweite Mann des Vatikan beim Besuch des Kinderkrankenhauses Bambin"Gesu. Lösung und Konsequenzen derartiger Probleme seien freilich Sache der Politik.



Erstmals hat sich damit ein hochrangiger Vatikanvertreter zu der hitzigen Diskussion um den Regierungschef und den Verdacht auf Beihilfe zur Prostitution mit Minderjährigen geäußert. Freilich vorsichtig und allgemein - ohne Verdächtigungen und Schuldzuweisung, ohne auf Sachstand und mögliche Konsequenzen einzugehen. Bertone bewegte sich damit auf der Linie, wie sie zu Wochenbeginn bereits Staatspräsident Giorgio Napolitano in einer "Note aus dem Quirinal" vorgegeben hatte. Darin äußerte sich Napolitano ebenfalls "besorgt" über die Situation. Er drängte auf eine rasche Klarstellung der Vorwürfe, ohne eigene Bewertungen vornehmen zu wollen. Und der Vatikan hatte - ein ungewöhnlicher Vorgang - in seiner Tageszeitung "Osservatore Romano" ausführlich über diese "Note" berichtet.



Der Heilige Stuhl habe "seine eigenen Wege und Kanäle", um auch ohne öffentliche Erklärungen zu intervenieren, hob Bertone nun hervor. Als vatikanischer Regierungschef ist er für die Beziehungen des Heiligen Stuhls zu den Staaten zuständig. Ganz besonders gegenüber Italien bemüht sich der Vatikan um ein gutes Einvernehmen nach den Regeln zwischenstaatlicher Beziehungen. Dazu gehört auch das Prinzip der Nichteinmischung in innere Angelegenheiten. So unterhielt der Heilige Stuhl in den vergangenen Jahrzehnten gute Kontakte zu Italiens wechselnden Regierungen - von Mitte-Rechts bis ziemlich weit links.



Lagebericht wird erwartet

Unverblümter äußerten sich zu "Ruby-Gate" unterdessen katholische Organisationen und auch katholische Medien. So kommentierte Chefredakteur Marco Tarquinio in der bischofseigenen Tageszeitung "Avvenire": "Allein die Vorstellung, dass ein Mann an der Spitze der Staatsinstitutionen in Prostitution oder gar in Prostitution einer Minderjährigen verwickelt ist, ist schädlich und schockierend."



Mit Spannung wartet man jetzt auf den Lagebericht, den Kardinal Angelo Bagnasco am Montag dem Ständigen Rat der Italienischen Bischofskonferenz vorlegt. Freilich dürfte er der Linie folgen, wie sie Bertone bei seinem Statement vorgetragen hat - und mit dem er einmal mehr deutlich gemacht hat, dass für die Beziehungen zur italienischen Politik seit einigen Jahren nicht mehr die nationale Bischofskonferenz zuständig ist, sondern das Staatssekretariat.



Dort weiß man freilich auch, dass Berlusconi bislang auch von vielen kirchentreuen Katholiken gewählt wurde. Insbesondere solchen, für die linke Parteien auch nach vielen Wandlungen und Wendungen nicht wählbar sind. Es sind Bürger, denen der schillernde Medien- und Geschäftsmann vielleicht nicht behagt, aber am Ende doch als am ehesten zustimmungsfähig erscheint. Immerhin hat Berlusconi in Gianni Letta einen Staatssekretär, der beste Kontakte zu Kirchenkreisen pflegt - bis hin zu Bertone. Letta ist es auch, der bei vatikanisch-italienischen Verstimmungen immer wieder vermittelte. Fraglich bleibt freilich, wie lange er seinem Chef noch die Sympathien "der Katholiken" und der Kurie bewahren kann.