Auch zum Einsatz am Hindukusch sind sich die Kirchen nicht mehr einig

Nichts ist gut in Afghanistan?

Kurz vor den Beratungen des Bundestages zur Verlängerung des Afghanistan-Mandats der Bundeswehr melden sich die beiden großen Kirchen zu Wort. Während jedoch der Fuldaer Bischof und Pax-Christi-Präsident Heinz Josef Algermissen den sofortigen Beginn eines Abzugs fordert, kommt die Evangelische Kirche zu einer differenzierteren Sicht als noch zu Zeiten von Margot Käßmanns "Nichts-ist-gut-Parole".

 (DR)

Eine Fortsetzung des Krieges, an dem Deutschland nun schon seit neun Jahren beteiligt sei, wäre nicht zu rechtfertigen, sagte Bischof Algermissen am Dienstag in Fulda. Es bestehe keine hinreichende Wahrscheinlichkeit mehr, dass die Fortsetzung der Gewalt ihr Ziel erreiche. Der Einsatz sei gescheitert. Algermissen kritisierte, der NATO-Einsatz, an dem Deutschland seit neun Jahren beteiligt ist, habe in der afghanischen Bevölkerung, unter Aufbauhelfern sowie unter den Kämpfenden viele Opfer gefordert. Angesichts der hohen Zahl von Kriegstoten bedeute die von der Bundesregierung geplante Fortsetzung der Kämpfe nichts anderes "als sehenden Auges für die Jahre 2011 bis 2014 weitere Todesopfer einzukalkulieren". Vorsichtigen UN-Schätzungen zufolge wären das jährlich 2.500 Menschen, so Algermissen. Mit Blick auf die zu erwartenden Folgen sei der Einsatz völkerrechtlich und ethisch nicht mehr zu rechtfertigen.



"Nichts ist gut in Afghanistan!" Mit diesem Satz aus ihrer Neujahrspredigt 2010 in der Dresdner Frauenkirche hatte die damalige Bischöfin und EKD-Vorsitzende Margot Käßmann vor einem Jahr Schlagzeilen gemacht und die Haltung ihrer Kirche damit festgelegt. Der in Berlin erscheinenden Tageszeitung "Die Welt" sagte ihr Nachfolger als EKD-Ratsvorsitzender, Präses Nikolaus Schneider, nun: "Die innerkirchliche Diskussion über den Afghanistan-Einsatz ist differenzierter und kundiger geworden. Wir fragen genauer nach, was das Militär tut und welche Entscheidungen die Politik trifft, wir sind besser über die Arbeit der Seelsorger vor Ort informiert und schauen sensibler auf die seelischen und körperlichen Verletzungen unserer Soldaten." Dadurch habe sich "die Tonlage der Bewertung des Einsatzes durch die evangelische Kirche geändert", erläuterte der Präses. Dazu habe auch beigetragen, dass nach seinem Eindruck "in der Politik mittlerweile gehört wird, was wir anmahnen". Die geänderte Sichtweise hat Konsequenzen für die Bewertung des neuen Bundeswehr-Mandats, das vom Bundeskabinett in der vergangenen Woche beschlossen wurde und am Freitag im Bundestag in erster Lesung debattiert werden soll. Schneider lobte an dem Mandatsentwurf, "dass die von uns geforderte Aufstockung der Mittel für die zivile Aufbauarbeit zumindest teilweise erfolgt ist und eine Evaluation des Einsatzes vorgenommen wurde, die ich allerdings nicht als "Fortschrittsbericht", sondern als "Statusbericht" bezeichnen würde."



Missverhältnis zwischen Entwicklungs- und Rüstungsgeldern

Gleichwohl sieht Schneider "Klärungsbedarf". Dieser bestehe dort, wo "endlich expliziert werden muss, wie man vernetzte Sicherheit durch ein Zusammenwirken von polizeilichen und zivilen Aufgaben gewährleisten will. Zudem hätten wir uns eine Mandatierung auch des zivilen Aufbaus durch den Bundestag gewünscht". Die EKD werde nun "mit der Politik gemeinsam diskutieren, wie Deutschland die Verantwortung in geeigneter Weise an die afghanische Regierung übergeben kann, damit wir keine Besatzer werden. Auf einem konkreten Abzugstermin bestehen wir dabei nicht, doch muss es einen verbindlichen zeitlichen Rahmen geben, in dem die Voraussetzungen für eine Übergabe der Verantwortung zu schaffen sind."



Ähnlich äußerte sich in der "Welt" der EKD-Friedensbeauftragte Renke Brahms, leitender Geistlicher der Bremischen Landeskirche. Er nannte es einen "Fortschritt, dass im Mandatstext der Bundesregierung deutlich auf die Rolle der Entwicklungszusammenarbeit beim Aufbau in Afghanistan hingewiesen wird". Für die Evangelische Kirche sei es "von Anfang an entscheidend" gewesen, "dass im Vordergrund der zivile Aufbau stehen muss. Dabei haben wir immer deutlich gemacht, dass ein militärischer Einsatz im äußersten Fall nur dazu dienen kann, für eine begrenzte Zeit ein sicheres Umfeld für den zivilen Aufbau zu gewährleisten."  Allerdings bemängelte Brahms, dass es "immer noch ein grobes Missverhältnis zwischen dem Aufwand für die Entwicklungszusammenarbeit und dem viel größeren fürs Militär" gebe. Dabei sei "doch klar, dass es in Afghanistan keine militärische Lösung gibt".