Landesbischof: Ökumene nicht gescheitert

"Was uns verbindet, ist stärker!"

Einen großen Rückschlag für die Ökumene nennt Kardinal Meisner die unterschiedlichen Auffassungen der großen Kirchen beim Thema Lebensschutz. Der evangelische Braunschweiger Landesbischof Friedrich Weber sieht auch die Probleme, betont als Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen im domradio.de-Interview aber das Verbindende der Konfessionen.

Landesbischof Weber und Ex-Ökumene Kardinal Kasper (epd)
Landesbischof Weber und Ex-Ökumene Kardinal Kasper / ( epd )

domradio: Herr Bischof Weber, der Kölner Kardinal sieht die Ökumene am Scheideweg. Es fehle in ethischen Fragen, inbesondere hinsichtlich der Präimplantationsdiagnostik (PID), das gemeinsame Fundament, so der Erzbischof. Wie sehen Sie das?

Weber: Wir haben in der Tat hier eine, ich würde nicht sagen Krise, aber ein Problem, das sich in unterschiedlicher ethischer Einschätzung zeigt, speziell in der Situation der PID. Wir hatten das schon einmal, als es um die Verschiebung der Stichtagsregelung bei der embryonalen Stammzellforschung ging. Hierbei muss man allerdings deutlich sagen, dass die Konfliktlinie sich nicht allein zwischen evangelischer und katholischer Kirche abzeichnet, sondern dass wir hier einen weit umfänglicheren Unterscheidungsprozess haben. Auch innerhalb der politischen Parteien, auch innerhalb der CDU beispielsweise gibt es keine einheitliche Linie, auch in der evangelischen Kirche nicht. Es gibt auch deutliche Differenzen zwischen den Bischöfen innerhalb der evangelischen Kirche. Ich sehe hier aber im Unterschied zur Einschätzung von Kardinal Meisner nun wahrlich kein Scheitern der Ökumene und keinen grundsätzlichen Dissens. Denn Präses Schneider macht deutlich, dass es bei der PID darum geht, dass Leben ermöglicht wird und auf die Welt gebracht wird, anders als in der Abtreibungsdebatte beispielsweise. Sein Anliegen ist es, dass die PID ganz eng nur in solchen Situationen zur Anwendung kommt, wo Ehepaare wissen, dass ihre zukünftigen Kinder durch Vererbung mit hoher Wahrscheinlichkeit mit sehr schweren Schäden auf die Welt kommen werden.



domradio.de: Müssen denn beide großen Kirchen den gleichen Standpunkt vertreten, wenn es um den Schutz des Lebens geht, so wie Kardinal Meisner fordert?

Weber: Auch in der katholischen Kirche gibt es differenzierte Meinungen zu diesem Problem: Man merkt, dass hier in der Tat die ethische Entscheidung und die Verantwortung, die ein einzelner oder eine einzelne übernimmt, eine große Rolle spielt. Wenn wir als Kirchen so eindeutig und rigoros sagen, PID darf nicht sein, weil es um menschliches Leben geht, dann müssen wir auch ausreichend starke Begleitmöglichkeiten anbieten für Menschen, die dann mit hoher Wahrscheinlichkeit ein schwer behindertes Kind begleiten müssen, woran sie, wenn sie keine Unterstützung bekommen, zerbrechen werden! Da müssen wir uns selbstkritisch fragen, ob wir das leisten als Kirchen. Sind unsere Gemeinden so offen für Menschen mit Schwerstbehinderungen, haben wir so viel Kraft, dass wir Eltern in solchen Situationen hinreichend und nicht nur materiell zur Seite stehen können? Diese Sorge habe ich schon, auch dass hier zu vollmundig geredet wird.



domradio.de: Ein weiteres Konfliktthema ist das Gemeinsame Abendmahl. Wie nah dran ist das Thema überhaupt an den Menschen?

Weber: Unter theologischen Gesichtspunkten ist diese Frage eine außerordentlich wichtige, auch im Blick auf das Leben in unseren Gemeinden. Weil sich in der Feier der Eucharistie, die Einheit und das "Gemeinsam-Kirche-sein" konstituiert und zum Leben kommt. Wir haben Anteil am Leib Christi, und aus dieser Gemeinschaft heraus entstehen dann vielleicht noch einmal ganz andere Haltungen auch in das öffentliche Leben hinein. Insofern ist diese Frage schon eine Grundfrage, und sie ist es gerade im Blick auf konfessionsverschiedene Ehen. Da wird man dort auseinandergekommen, wo es speziell nach römisch-katholischer aber auch evangelischer Einschätzung um das Innerste des Glaubens geht. Diese Gabe des Lebens darf man nicht gemeinsam empfangen. Das ist schon ein Problem. Ich würde jetzt auch das eine nicht gegen das andere ausspielen wollen, das gehört zusammen. Die spirituelle Existenz des Menschen gibt ihm ja Kraft, um auch in seinen Alltagsproblemen seinen Mann oder seine Frau zu stehen.



domradio.de: Wie steht es nun um die Einheit der Christen in Deutschland?

Weber: Ich war gerade erst Gast in der Ökumene-Kommission der DBK in Würzburg, und wir haben den ganzen Abend genau darüber gesprochen. Wir haben auch die Dissonanzen benannt, da gehört die PID und die Verschiebung des Stichtags bei der Stammzellforschung und einiges mehr dazu. Wir haben aber auch festgestellt, dass wir in der Frage des Verständnisses des Abendmahls theologisch übereinstimmen im Großen und Ganzen, und dass im Grunde die Zeit reif ist, für eine gemeinsame Erklärung dazu. Auch wenn sie noch nicht dazu führen wird, dass die wechselseitige Einladung erfolgen könnte, wobei die Gastfreundschaft ja längst gegeben ist. Wir haben festgestellt, dass wir betroffen sind, wenn die eine Kirche Mühen hat und dass wir uns freuen, wenn der Schwesterkirche Dinge gelingen und wo sie erfolgreich ist und es ihr gelingt, bei den Menschen zu sein und die Botschaft des Evangeliums so zu verkünden, dass Menschen davon betroffen und begeistert sind. Und die heute beginnende Gebetswoche zur Einheit der Christen ist eine Erfolgsgeschichte! Die Zusammenarbeit aller beteiligten Kirchen wird auch wieder deutlich werden bis hin in die gemeinsame Arbeit an liturgischen Formulierungen. Die anderen Dinge halten wir aus. Wir bleiben beieinander und müssen uns wenn nötig, die differenten Einschätzungen auch deutlich sagen, ohne dass es das zerstört, was uns verbindet. Denn das, was uns verbindet, ist stärker!



Interview: Stephanie Gebert