Ethik-Debatte nach Dioxin-Skandal

Billig ist auf Dauer teuer

Nach dem Dioxin-Skandal hat die Diskussion um die Ursachen begonnen. Auch der Verbraucher trage eine Mitschuld, sagt Karl-Heinz Friebe. Der Referent für Kirche und Landwirtschaft bei der Hannoverschen Landeskirche im Interview mit domradio.de über die Not der Landwirte und die Entfremdung des Konsumenten von Lebensmitteln.

 (DR)

domradio.de: Wie gehen die Landwirte, die mit Dioxin belastetem Futter beliefert worden sind, mit der Situation jetzt um?

Friebe: Sie sind zornig und wütend. Und können nicht verstehen, wie so etwas geschehen kann. Sie versuchen als Landwirte gut und richtig zu handeln - und dann passiert das. Für die Landwirte ist das ja eine unglaublich schwierige Situation. Sie haben eben gesagt, dass die Landwirte die dioxinbelasteten Lebensmittel "ausliefern". Das klingt ja fast so, als wenn sie Schuld hätten. Das ist im Moment die ganz große Frage und Sorge der Landwirte: dass sich hier schon wieder ein Lebensmittelskandal aufzeigt. Und dass die, die in der Nahrungskette ganz hinten stehen, die sich darauf verlassen mussten, dass sie gute, verantwortungsvoll produzierte Produkte bekommen, um damit ihre Tiere zu ernähren, vorgeführt worden sind und am Ende diejenigen sind, die auf dem Schaden sitzen bleiben. Aber dieser Schaden ist nicht nur ein großer Geldschaden. Er ist auch ein großer Imageschaden für die Landwirtschaft. Das ist eines der großen Probleme.



domradio.de: Was sind die größten Nöte der Landwirte?

Friebe: Die Schweinepreise sind im Moment auf einem historischen Tiefstand. Und wenn Sie schauen, wie Tiere gefüttert werden und was die ganze Infrastruktur einer Landwirtschaft auch kostet, ist das ein hoher wirtschaftlicher Schaden, wenn die Tiere länger im Stall bleiben müssen. Und noch höher ist der Schaden, wenn sich die Tiere überhaupt nicht mehr vermarkten lassen. Und die große Frage ist: Wer wird irgendwann den Schaden übernehmen - zeitnah oder überhaupt nicht?



domradio.de: Immer größerer Kostendruck entsteht durch die Verbraucher,  erst in der vergangenen Woche ist der Preis für Schweinefleisch extrem billig gewesen. Wird ein solcher Dumpingpreis überhaupt irgendjemandem gerecht - dem Tier, dem Landwirt oder dem Verbraucher?

Friebe: Diese Frage ist mit einem klaren Nein zu beantworten. Es gibt den alten Satz: Billig ist auf Dauer teuer. Wenn wir uns immer wieder an dieser Dumping-Geschichte beteiligen, wenn wir jedes Produkt zu jeder Zeit an jedem Ort besonders billig haben wollen, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn andere Leute auf dieser Welle kriminell mitfahren. Wenn ich mir überlege, wie das Dioxin ins Futtermittel gekommen ist - das ist ein Verdünnungstrick gewesen! Auf diese Idee komme ich, wenn ich dem Kostendruck unterliege oder hohe Renditen erreichen will. Wenn wir dabei mitspielen, dann müssen wir uns nicht wundern. Das gilt nicht nur für den Verbraucher. Es muss eine neue Solidarität zwischen Konsument und Produzent entstehen.



domradio.de: Die meisten Menschen wissen ja, dass Fleisch und Eier nicht auf Bäumen wachsen, andererseits weiß man auch nie genau, ob Bio-Fleisch oder Eier wirklich das versprechen, was draufsteht. Was wäre ihrer Meinung nach denn eine Lösung, um da mehr Transparenz reinzubringen?

Friebe: Manchmal habe ich den Eindruck, dass sie es doch nicht wissen. Das Bewusstsein, das ein Schnitzel von einem Tier, von einem Lebewesen, dem wir auch schöpfungstheologisch verantwortlich verpflichtet sind, ist völlig verschwunden. Lebensmittel werden inzwischen ja auch so produziert, dass man sie als Fleisch gar nicht mehr erkennt. Viele Menschen sind von der Lebensmittelproduktion völlig entfremdet und wollen damit auch ganz wenig zu tun haben. Und sind deshalb von vielen Dingen schockiert, wenn sie passieren. Aber sie sind mit den Bauern im gleichen Boot: Denn auch sie müssen sich darauf verlassen können, dass sie ein verantwortungsvoll produziertes Produkt erhalten.



Das Gespräch führte Christian Schlegel.