Auslandsselsorger in Kairo für Solidaritätsaktion von deutschen Bischöfen

"Wir sind als West-Christen auch da"

Für eine Solidaritätsaktion von katholischen Bischöfen hat sich der Auslandsseelsorger in Kairo, Monsignore Joachim Schrödel, im domradio.de-Interview ausgesprochen. So liesse sich ein Zeichen setzen "wir verbalisieren nicht nur, sondern wir agieren auch".

Autor/in:
Susanne Becker-Huberti
 (DR)

domradio.de: Wie haben Sie die vergangenen Tage erlebt? Haben Sie sich geschützt gefühlt oder eher in tagtäglicher Angst gelebt?

Monsignore Schrödel: Die Christen in Ägypten sind total verunsichert, aber die Kraft des Glaubens,  - das klingt zwar sehr fromm, aber ich meine es auch wirklich so - aber die Kraft des Glaubens ist sehr stark. Die ägyptische Christenheit fühlt sich seit vielen, vielen Jahrhunderten, seit zwei Jahrtausenden als die Kirche des Kreuzes!  Wir sind ja hier das älteste christianisierte Land der Welt. Aber ganz konkret, was in Alexandria passiert ist, war sozusagen der Höhepunkt einiger kleinerer Auseinandersetzungen immer wieder im Vorfeld, auch in Kairo. Ich denke schon, dass damit eine gewisse neue Qualität leider erreicht worden ist, dessen, was vorher so subkutan da war. Jetzt wird doch deutlich, dass die Christen sich das nicht mehr so gefallen lassen. Sie haben es eingangs gesagt, jetzt auch haben Christen immens protestiert und es kam zu Auseinandersetzungen zwischen den Christen und der Polizei. In der Tat die Christen sagen, es reicht uns jetzt.



domradio.de: Welche Auswirkungen hat denn der jüngste Anschlag in der Silvesternacht für das Leben der Christen in Kairo?

Monsignore Schrödel: Also da sind die Auswirkungen relativ gering. Man hat verschiedene Felder, in denen man sogar eher positiv spürt, dass die Muslime, die eigentlich als ägyptische Muslime nicht militant sind, sondern sehr offen und bereit, auch andere Religionen und  Gemeinschaften akzeptieren. Dass sie sogar zu den Christen kommen und sagen, dass tut uns leid und das darf nicht sein. Gerade auf der Schiene der Intellektualität der Ägypter spürt man das sehr, sehr deutlich. Mich haben sehr viele Freunde angerufen, die gesagt haben, wir gehen in die Weihnachtsmessen der koptischen  Kirche als Muslima um zu zeigen, das darf in Gottes Namen nicht sein.  Das was passiert ist, ist jetzt nicht die Spitze des Eisberges und es wäre ganz viel Aggression von Muslimen gegen Christen da oder umgekehrt, sondern es ist ein "Peak", eine Spitze gewesen, die aber nicht von der Mehrheit der Bevölkerung unterstützt wird - da muss man sich ganz klar dagegen äußern. Andererseits muss man selber deutlich sagen, dass der Staat, glaube ich, ab diesem Anschlag von der Neujahrsnacht nicht mehr blind sein kann und sozusagen diese Auseinandersetzungen immer nur als vereinzelte Probleme ansehen. Da muss der  Staat mit dem Geheimdienst und allen zur Verfügung stehenden Mitteln vorgehen, dass militante islamistische Gruppen hier keine Möglichkeit haben.  



domradio.de: Sind die Sicherheitsmaßnahmen vor dem orthodoxen Weihnachtsfest, das heute Abend beginnt, erhöht worden?

Monsignore Schrödel: Das ist so eine Situation, die wir immer mal wieder bei den größeren Attentaten weltweit gegen Christen hatten. Es wurden immer wieder vor allen Kirchen Militär platziert oder Polizisten. Ich selber zelebriere einmal in der Woche in einer maronitischen Kirche und sonst stelle ich immer das Auto davor ab und jetzt darf ich das nicht. Das ist auch gut so. Diese Sicherheitsmaßnahmen sind da, aber ich hoffe, sie sind nicht nur drei- vier Tage lang da. Ich hoffe,  ab jetzt schaut man auch wirklich nach den Drahtziehern dieser antichristlichen Ausschreitungen.  



domradio.de:  Mit welchem Gefühl gehen Sie in das Weihnachtsfest?

Monsignore Schrödel: Mit einem dankbaren Gefühl, dass Jesus Christus geboren ist und dass er auf der Seite der Schwachen steht. Man sollte das immer so sehen: Wir Deutsche haben natürlich weniger Glaubensfestigkeit als die Kopten, aber die Kopten, die ich kenne, auch die ganz einfachen sagen, das was geschehen ist, ist schrecklich und es tut uns leid, aber zugleich sagen sie genauso, diese 22-23 Menschen, die zu Tode gekommen sind, sind Märtyrer für unseren Glauben. Und das meinen sie von ganzem Herzen so und der alte Spruch: das Blut der Märtyrer ist Samen für neue Christen - da bin ich fest überzeugt, ist auch heute noch sehr, sehr gültig. Ich werde sicherlich auch hier verschiedene Weihnachtsgottesdienste im Lande besuchen, soweit es möglich ist, heute Nacht und dann morgen Vormittag und damit auch zeichenhaft sagen, jawohl wir sind da, wir sind als West-Christen auch da. Mein Traum wäre, wenn in den nächsten Monaten der ein oder andere deutsche Bischof oder sogar Kardinal für ein paar Tage nach Ägypten käme, die Muslime besuchen und natürlich die christlichen Führer. Und zu zeigen, wir verbalisieren nicht nur, sondern wir agieren auch ganz mit persönlichem Einsatz.