Koptische Christen in Deutschland erwägen Verzicht auf Weihnachtsfeiern

Trauer und Angst vor Terror

Der Terroranschlag auf einen Gottesdienst koptischer Christen in Ägypten mit mindestens 21 Todesopfern hat deren deutsche Glaubensbrüder tief erschüttert. "Viele Menschen weinen. Ihr Herz blutet", sagt Bischof Damian, Repräsentant der koptischen Christen in Deutschland.

 (DR)

Im Hinblick auf das am 7. Januar anstehende Weihnachtsfest seiner Kirche sagte der Geistliche: "Es wird keine Feierlichkeiten geben, höchstens die Liturgie. "Den Anschlag auf den Gottesdienst in der ägyptischen Christen in der Silvesternacht nannte Bischof Anba Damian "grausam, schockierend und ekelhaft". Von den obersten Imamen in Ägypten forderte der Bischof eine klare Distanzierung vom Terrorismus. Islamische Funktionäre müssten außerdem diejenigen im Auge behalten, "die jetzt auf den Straßen jubeln". Weiterhin müsse alles getan werden, um die Täter zu bestrafen.



Besorgt zeigt sich Damian über Terrordrohungen gegen die rund 6.000 Kopten in Deutschland. Anschlagspläne, die unter anderem im Internet kursierten, hätten "einen gewissen Glaubwürdigkeitsgehalt", erklärte der Bischof im Deutschlandfunk. Auf mögliche Terrorakte während des koptischen Weihnachtsfestes in der Nacht von Donnerstag zu Freitag seien die Kopten von der deutschen Polizei aufmerksam gemacht worden.



Positiv berührt zeigte sich der Bischof von den weltweiten solidarischen Reaktionen auf das Attentat. Insbesondere gelte dies für das Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche. "Die Solidarität des Heiligen Vaters Papst Benedikt war eindeutig", sagte Damian. Außerdem habe es viele Anrufe gegeben von Muslimen aus Ägypten und aus Deutschland, die diese Anschläge in aller Form verurteilt hätten.



Damian kritisierte dagegen die Reaktionen deutscher Politiker auf das Attentat als oberflächlich und enttäuschend. Von ihnen seien nur "blumige Statements" zu hören, sagte Damian. Es müsse nun endlich über konkrete Folgen aus dem Terrorakt gesprochen werden, erklärte der Bischof, ohne seine Forderung zu präzisieren.



Düsseldorf: Koptische Gemeinde schockiert

Die Kopten in Düsseldorf wollen die genauen Hintergründe des Anschlags herausfinden und wissen, wie es ihren Bekannten geht. Noch immer herrscht Fassungslosigkeit. Die Gemeinde war gerade im Gebet zum Jahreswechsel versammelt, als die traurigen Nachrichten aus Ägypten in Düsseldorf eintrafen. Telefonisch wurde schnell Kontakt aufgebaut, um mehr zu dem Anschlag zu erfahren.



Ebenso bewegt die Gemeinde die Suche nach der Wahrheit und den Attentätern. Immer wieder gibt es Spekulationen, wer hinter dem Anschlag in Alexandria steht. In Düsseldorf sind die Kopten aber vorsichtig mit vorschnellen Beschuldigungen. Schon jahrelang gibt es immer wieder Anschläge auf koptische Gemeinden. Doch bis jetzt ist noch kein Attentäter überführt und verurteilt worden. In Europa sind die Kopten bisher sicher vor Anschlägen. Aber auch hier wächst die Angst vor Terroristen, wie der koptisch-orthodoxe Bischof für Deutschland, Anba Damian, im domradio sagte.



Weil nicht klar ist, wie ernst diese Drohungen zu nehmen sind, hat die Gemeinde die Polizei eingeschaltet und Schutz angefordert. Angst vor einem drohenden Anschlag in Deutschland haben die Gemeindemitglieder nicht, eine gewisse Anspannung ist ihnen aber anzumerken. Unerschütterlich ist aber ihr Vertrauen in Gott. "Wir legen unser Leben in Gottes Hände. Und was er vorhat, das wird passieren. Außer ihm kann uns sowieso niemand beschützen", sagt Bischoy Shehata, der Sohn des koptischen Pfarrers in Düsseldorf.



Die Gemeinde lädt Christen aller Konfessionen am 16. Januar um 16 Uhr in ihre Kirche in Düsseldorf-Grafenberg ein, um dort einen Gedenkgottesdienst für die Opfer des Anschlags von Alexandria zu halten.



Frankfurter Koptische Gemeinde spricht von Polizeischutz

Die älteste koptische Gemeinde in Deutschland, St. Markus in Frankfurt am Main, wird bei ihrem für Donnerstagabend geplanten Weihnachtsfest nach eigenen Angaben besonders bewacht. "Wir bekommen von der Polizei Objekt- und Personenschutz", zitiert die "Frankfurter Rundschau" Diakon Michele Riad vorab aus ihrer Dienstagausgabe. Gleiches gelte für die Trauerfeier, die die Gemeinde für Samstag plant, um der 21 in Ägypten getöteten Kopten zu gedenken.



Die in Frankfurt-Rödelheim ansässige Gemeinde St. Markus ist mit knapp 1.000 Mitgliedern auch eine der größten koptischen Gemeinden in Deutschland. Die Zeitung zitiert den Frankfurter Polizeisprecher Jürgen Linker mit den Worten, seine Behörde halte ständig Kontakt zu der Gemeinde. Zwar stünden nicht rund um die Uhr Streifenwagen vor der Kirche. "Die Kollegen vor Ort sind aber absolut sensibilisiert", sagte der Sprecher laut Vorabmeldung. Das Bundeskriminalamt ist nach eigenen Angaben dabei, eine Gefahrenanalyse für Deutschland zu erstellen, wie die Zeitung unter Berufung auf einen Sprecher der Wiesbadener Fahndungsbehörde schrieb. Die Länder-Polizeien müssten über weitere Maßnahmen entscheiden.



Münchner Kopten feiern Weihnachten unter Polizeischutz

Nach weiteren Anschlagsdrohungen feiern auch die koptischen Christen in München ihren Weihnachtsgottesdienst am Donnerstag unter Polizeischutz. Aus Trauer über das mörderische Attentat im ägyptischen Alexandria am 31. Dezember verzichten die Gemeinden in Bayern außerdem auf das sonst übliche Festessen danach, wie ihr geistliches Oberhaupt, Pater Deuscoros El-Antony, am Dienstag im Münchner Kirchenradio erklärte.



In Bayern leben in München und Nürnberg rund 400 Kopten. Sie zählen zur orthodoxen Kirche, die das Weihnachtsfest überwiegend erst am 6. Januar feiert. Die Kirchen des Westens begehen an diesem Tag das Fest "Erscheinung des Herrn", das im Volksmund Dreikönig heißt.



Der Erzpriester bestätigte, dass auch er noch vor der Explosion der Autobombe vor einer koptischen Kirche in Alexandria an Silvester von der Polizei über mögliche Anschläge in Bayern gewarnt worden sei. Die Kopten hätten deswegen keine Angst. "Wir vertrauen auf Gott, müssen aber auch aufpassen", so der Pater.



El-Antony äußerte sich zugleich betrübt über die Lage seiner Glaubensgeschwister in Ägypten. Sie könnten dort nicht einmal in Freiheit eine Kirche bauen. Sie wollten aber genauso frei leben wie die Muslime in Europa.



Der Erzpriester kritisierte auch die ägyptischen Behörden. Diese hätten auf die Ankündigung von Islamisten, den Kopten ein "Weihnachtsgeschenk" zu bringen, nicht reagiert. Der Anschlag sei schließlich dieses "Geschenk" gewesen. Muslime müssten besser über das Christentum informiert sein. Nur dann könne ein Zusammenleben gelingen.



Debatte um Christenverfolgung

Wegen des Anschlags forciert die Union nun die Debatte über die Verfolgung von Christen weltweit. "So wie es sich im Irak, in afrikanischen Ländern und jetzt in Ägypten darstellt, so darf es nicht weitergehen", sagte Unions-Fraktionschef Volker Kauder. Deutschland müsse Druck auf Ägypten ausüben. Der Parlamentarische Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe, Stefan Müller, verlangte: "Wir sollten unsere Entwicklungshilfe an der Frage ausrichten, ob in einem Land Christen vom Staat oder einer anderen Seite verfolgt werden."



Eine Kürzung der Entwicklungshilfe für Ägypten von rund 190 Millionen Euro für dieses und nächstes Jahr kommt für die Bundesregierung aber nicht in Frage, wie ein Sprecher des Entwicklungsministeriums sagte. Es handele sich nicht um willentliche und systematische Menschenrechtsverletzungen. Regierungssprecher Steegmans betonte zudem, dass die Bundesregierung nicht "ein oder zwei Stellschrauben" zur Verfügung habe, um die Lage der Christen in der Welt zu verbessern. "Das ist eine Angelegenheit, die einen langen Atem benötigt."



Der Grünen-Politiker Volker Beck kritisierte jedoch, die Regierung schöpfe ihre Möglichkeiten nicht aus. Ägypten sei de facto eine Diktatur. "Der Westen aber schaut aus außenpolitischer Rücksichtnahme auf das Regime Mubarak systematisch weg", beklagte Beck.



Die Bundesregierung machte betont deutlich, dass sie von Kairo den Schutz der religiösen Minderheiten und gerade der nun ins Visier geratenen Christen erwarte. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) äußerte in einem Schreiben an Ägyptens Präsident Hosni Mubarak die Überzeugung, dass der Präsident alles in seiner Macht Stehende tun werde, um weitere "derartige Vorfälle" zu verhindern. Ihr Vize-Sprecher Christoph Steegmans sprach von einem "klaren und appellativen Anspruch" gegenüber der ägyptischen Führung seitens der Kanzlerin, die ausdrücklich auch die muslimischen Opfer erwähnte.



Und Außenminister Guido Westerwelle, frisch aus dem Ägyptenurlaub zurück, unterstrich in einem Telefonat mit seinem ägyptischen Amtskollegen, "dass alles getan werden müsse, um Christen und andere religiöse Gruppen gegen Übergriffe und Gewalt durch Extremisten zu schützen". Aber Steegmans sagte auch, es brauche einen "langen Atem", wenn die deutsche Politik bei ausländischen Regierungen eine Verbesserung der Situation verfolgter Minderheiten erreichen wolle.