Diskussion um Meisners PID-Kritik - Volker Beck verteidigt Kölner Kardinal

Pro und Contra und eine Rücktrittsforderung

Der vom Kölner Kardinal Joachim Meisner gezogene Vergleich zwischen der Präimplantationsdiagnostik (PID) und dem Kindermord von Bethlehem durch König Herodes hat Diskussionen ausgelöst - und Unterstützung von ungewohnter Seite hervorgebracht.

 (DR)

Die Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Ursula Heinen (CDU), zeigte sich enttäuscht. Meisner verkenne "mit seinem PID-Vergleich die tatsächliche Notlage von Eltern, die bereits Fehl- oder Totgeburten erlitten haben", sagte sie dem "Kölner Stadt-Anzeiger" (Donnerstag). Heinen gehört zu jener Gruppe von Parlamentariern, die PID für Fälle von schwerer erblicher Vorbelastung der betroffenen Eltern in den vom Bundesgerichtshof gezogenen Grenzen zulassen wollen.



Der evangelische Theologe Friedrich Schorlemmer hat Meisner zum Rücktritt aufgefordert. Schorlemmer sagte am Mittwoch im Nachrichtenradio MDR Info in Halle, "ein Mann, der so argumentiert, sollte sich aus dem Amt zurückziehen." Meisner habe "theologische Prinzipienfestigkeit gegen ein seelsorgerliches Anliegen" gestellt.



Der biblische Kindermord von Herodes sei ein Genozid an gesunden Kindern, ein Vergleich mit der PID sei "geradezu absurd". Meisner diffamiere mit dem Vergleich die Befürworter der PID "auf üble Weise". Weiterhin äußerte der Wittenberger Theologe, die Schärfe der Diskussion um PID sei "nicht gerechtfertigt".



Dagegen sprang der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen und menschenrechtspolitische Sprecher seiner Bundestagsfraktion, Volker Beck, dem Kardinal bei. Kritik an dessen Äußerungen aus der Union sei unverständlich, sagte Beck am Mittwoch in Berlin. PID ziele auf Selektion und Tötung von Embryonen. Da könne man sich nicht beim Überbringer der schlechten Nachricht beschweren, sondern müsse "vielleicht noch mal die eigenen Positionen überprüfen", so Beck, der in der Vergangenheit nicht mit Kritik an Äußerungen des Kölner Kardinals gespart hatte.



Meisner hatte am Dienstagabend die Gentests an Embryonen in der PID aufs Schärfste verurteilt. Wer PID zulasse, sage Nein zum Leben, so der Kardinal. Der Mensch habe seine volle Würde, sobald eine Eizelle befruchtet sei. Auch Herodes habe damals eine Selektion vorgenommen nach Kriterien wie Ort, Alter, Geschlecht und Stand der Forschung. Diesen Vergleich hatte Meisner allerdings umgehend selbst als "politisch unkorrekt" bezeichnet. Schließlich hätten die Befürworter der PID um ihre Entscheidung gerungen.



Grünen-Politikerin: Bei PID nicht über Lebenswert urteilen

Die Grünen-Bundestagsabgeordnete Priska Hinz hat vor einer breiten Zulassung der Präimplantationsdiagnostik gewarnt. In einem Interview des "Hamburger Abendblatt" (Mittwoch) warb sie für eine Begrenzung der umstrittenen genetischen Diagnostik auf die Lebensfähigkeit des Embryos. "Mir geht es um die Frage der Lebensfähigkeit des Embryos und nicht um die Frage, ob der Embryo lebenswert ist", so die Forschungspolitikerin.



Hinz will mit dem SPD-Abgeordneten Rene Röspel nach Angaben der Zeitung bis Anfang Februar einen eigenen Gesetzentwurf vorlegen. Er sehe eine Beschränkung der Untersuchung auf jene Krankheiten vor, "die zu einer Fehlgeburt oder zu einem sehr frühen Tod des geborenen Kindes führen können". Dazu zählten beispielsweise nicht das Down-Syndrom oder Chorea Huntington, eine bislang unheilbare erbliche Erkrankung des Gehirns, die erst im Erwachsenenalter ausbricht. Die beiden, die in der vergangenen Legislaturperiode dem Parlamentarischen Ethikbeirat angehörten, wollen ihr Konzept "im Januar oder Anfang Februar" vorstellen.



Hinz wandte sich gegen den vor Weihnachten vorgestellten Gesetzentwurf einer fraktionsübergreifenden Abgeordnetengruppe um Ulrike Flach (FDP) und Peter Hintze (CDU). Dieser sortiere auch Embryonen bei lebensbedrohlichen Krankheiten aus, die erst im Alter aufträten. "Vor der Geburt zu entscheiden, ob ein Mensch mit einer solchen Erbkrankheit leben darf, halte ich für falsch", so Hinz. Die Untersuchung auf solche Krankheiten sei auch bei der seit langem praktizierten Pränataldiagnostik (PND) während der Schwangerschaft verboten. "Der Entwurf von Flach und Hintze würde dieses Verbot aber durchlöchern", so die Grüne.



Derweil dauert die Kritik an Überlegungen an, PID in begrenzter Form zuzulassen. Der Verband der Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung (KKV) erklärte, wer menschliches Leben "einmal preisgibt, egal ab welchem Zeitpunkt, spielt sich letztlich als Herr über Leben und Tod auf". Menschenwürde sei keine Erfindung, die dem Menschen bei Bedarf "ab- oder anerkannt werden kann", so der KKV-Bundesvorsitzende Bernd-M. Wehner. Er wies Plädoyers des CDU-Politikers Hintze und des Präsidenten der Bundesärztekammer, Jörg-Dietrich Hoppe, für eine Zulassung von PID zurück.



Bei der PID werden im Reagenzglas erzeugte befruchtete Eizellen außerhalb des Mutterleibes auf genetische Fehler untersucht und geschädigte Embryonen vernichtet. In Deutschland galt sie bis zum Sommer 2010 nach gängiger Rechtsinterpretation des Embryonenschutzgesetzes als verboten. Anfang Juli entschied jedoch der Bundesgerichtshof (BGH), dass Gentests an Embryonen nach dem Wortlaut dieses Gesetzes bislang nicht untersagt sind. Im Bundestag wird derzeit um eine Neuregelung gerungen; Befürworter und Gegner stellen dazu verschiedene Gesetzentwürfe vor.