Kirchen rufen zu Solidarität und Einsatz für den Frieden auf

Aus den Bistümern

Die beiden großen Kirchen in Deutschland haben an Weihnachten zu Solidarität und Einsatz für den Frieden aufgerufen. Christen sollten sich mit dem gleichen Engagement gegen Krieg und Zerstörung der Schöpfung einsetzen wie gegen eine Einteilung in wertes und unwertes Leben, forderte der Münchner Kardinal Reinhard Marx.

 (DR)

Der Mainzer Kardinal Karl Lehmann rief zur Solidarität mit den verfolgten Christen im Irak auf. Im Nahen Osten stehe "die Wiege unseres Glaubens", sagte er am Ersten Weihnachtsfeiertag im Mainzer Dom. Zugleich verwies der frühere Vorsitzende der Bischofskonferenz auf eine "weltweite Dimension" der weihnachtlichen Botschaft. "Der menschgewordene Gott ist ein ohnmächtiges Kind", so Lehmann. Diese Ohnmacht verweise darauf, dass die Menschen gleich welchen Alters oder welcher Herkunft voneinander abhängig seien und die Würde eines jeden Einzelnen unter allen Umständen zu wahren sei.



Der Hamburger Erzbischof Werner Thissen erklärte, der biblischen Botschaft zufolge sei Gott an Weihnachten Mensch geworden und damit zum Brot des Lebens. Entsprechend sollten auch die Christen für "Mittel zum Leben" für ihre Mitmenschen sorgen, sagte Thissen bei der Christmette am späten Freitagabend im Hamburger Mariendom, die von der ARD live übertragen wurde. Dies könne etwa in der Spendenaktion des Lateinamerika-Hilfswerks Adveniat geschehen, "im aufmerksamen Blick für Menschen in meiner Umgebung, die meine Hilfe brauchen, oder in einer versöhnenden Geste, einem aufmunternden Wort".



Erzbischof Becker fordert humanere Gesellschaft

Der Paderborner Erzbischof Hans-Josef Becker hat an Weihnachten zur Entwicklung eines humaneren Gesellschaftsmodells aufgerufen. Die "heute tragende Generation" müsse darüber nachdenken, wie sie mehr und wirkungsvoller teilen könne, sagte Becker in seiner Predigt am Ersten Weihnachtsfeiertag im Paderborner Dom. Nur so könnten junge Menschen der kommenden Generation unbeschwerter, menschlicher und zuversichtlicher leben. Auch ältere Menschen müssten aktiv in den gesellschaftlichen Aufbau mit einbezogen werden. "Gehört das Erleben, einfach nicht gebraucht zu werden, nicht zu den schlimmsten Erfahrungen menschlicher Entwürdigung?", fragte der Erzbischof.



Bereits in der Heiligen Nacht warnte Becker vor den Auswirkungen eines technokratischen und von Kälte beherrschten Alltaglebens. Vielfach hätten heutzutage Kleine und Arme keinen Platz, weil die Starken, Mächtigen und Reichen bereits die besten Plätze besetzten. Besonders für junge Menschen sei es schwer, einen Ausbildungs- und Arbeitsplatz und damit einen Platz in der Gesellschaft zu finden. Ähnlich gehe es sozial Schwachen bei der Suche nach bezahlbaren Wohnungen.



Becker rief auch zu einer größeren Wertschätzung von Kindern auf. Es sei schlimm um die Zukunft bestellt, wenn Kinder lediglich als Kostenfaktor und nicht mehr als Geschenk Gottes angesehen würden. Als Beispiele nannte er Erzbischof die Weigerung von Vermietern, Familien mit Kindern eine Wohnung zu geben. Wie die Gesellschaft sich zu Kindern stelle, werde entscheidenden Einfluss auf die Zukunft haben, sagte Becker im Dom.



Zollitsch warnt vor Zulassung von Embryonen-Tests

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, hat davor gewarnt, Gentests an Embryonen zuzulassen. "Wehret den Anfängen", sagte der Freiburger Erzbischof am Samstag in seiner Weihnachtsansprache. Es bestehe die "Gefahr eines Dammbruchs, wenn sich der Mensch zum Herrn über andere Menschen macht und bestimmt, welches Leben sich entwickeln darf und welches nicht".



Wenn durch die sogenannte Präimplantationsdiagnostik die Möglichkeit geschaffen werde, Embryonen mit möglichen Behinderungen oder Anlagen zu möglichen Krankheiten durch Selektion auszuscheiden und zu töten, "dann wird dies auch geschehen", sagte Zollitsch im Freiburger Münster nach einem vorab verbreiteten Redetext weiter. Er warnte davor, dass ein Druck entstehe, Menschen mit Behinderungen oder Eigenheiten nicht mehr zu akzeptieren. "Unsere Gesellschaft würde dadurch nicht glücklicher, aber weniger menschlich."



Die Vorstellung, "wir täten einem Embryo etwas Gutes, wenn wir ihm möglichst früh die Chance nehmen, geboren zu werden", sei ein von der Diktatur des Glücks pervertierter Humanismus, fügte Zollitsch hinzu. Nicht mehr das Leben an sich sei das Kriterium, sondern die fremdbestimmte Ansicht und Aussicht darauf, möglichst viele sogenannte Glücksmomente erfahren zu können. "Wer so denkt, für den ist klar, dass ein Embryo, bei dem man eine Missbildung feststellt, von der Last befreit werden muss, geboren zu werden."



Zollitsch verwies darauf, dass das Leben "brüchig, endlich, bedroht, anfällig und auch manchmal elend hinfällig" sei und bleibe. Weihnachten fordere heraus, "wie Gott selbst" an der Seite der Schwachen und Hilflosen, der Geschundenen und Wankelmütigen zu stehen, sagte der Freiburger Bischof. "Wir haben einen Auftrag für die Menschen." Das Weihnachtsfest ermutige dazu, menschlicher, selbstloser und solidarischer zu werden.



Auch der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck fordert ein gesetzliches Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID). Auch aus der evangelischen Kirche kamen skeptische Stimmen zur PID. Overbeck hob in seiner Predigt hervor, bei der PID übernehme niemand die notwendige Schutzfunktion für das werdende Leben. "Über das Leben darf und kann niemand entscheiden. Das Leben ist Geschenk, es kommt von Gott; wir Menschen werden damit beschenkt", sagte Overbeck.



Der Passauer Bischof Wilhelm Schraml forderte, die Würde des Menschen in den Blick zu nehmen. Schraml sagte in seiner Predigt am ersten Feiertag, Gott komme auch dorthin, "wo Kinder heute im Reagenzglas gezeugt und bei diagnostizierten Erbschäden getötet werden".



Der Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen sprach sich zudem erneut gegen embryonale Stammzellforschung aus. Sie sei genauso "moralisch verwerflich" wie die Präimplantationsdiagnostik, sagte Algermissen in seiner Weihnachtspredigt im Fuldaer Dom und ergänzte: "Wenn das Gebot, Kranke zu heilen, mit dem Gebot, Unschuldige zu töten, kollidiert, hat immer das Tötungsverbot Vorrang." Keine noch so "fantastische Therapie" rechtfertige, einen Menschen im vorgeburtlichen Zustand zu töten.



Trierer Bischof erinnert an Missbrauchsfälle in der Kirche

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat zu Weihnachten an die bekanntgewordenen Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche erinnert. "Gerade als Kirche mussten wir in dem nun zu Ende gehenden Jahr erleben, wie dunkel, wie schmerzlich und wie abstoßend die Aufdeckung der Wahrheit über Situationen und Menschen sein kann", sagte der Bischof laut Redetext am ersten Weihnachtsfeiertag im Trierer Dom. Viele Menschen hofften, dass gerade das Weihnachtsfest für eine kurze Weile mit seinem besonderen Glanz die unschönen Seiten des Lebens überstrahle. Doch allzu oft liege unter einer glänzenden Oberfläche eine trübe Wahrheit verborgen.



Ackermann, der seit Februar Missbrauchsbeauftragter der Deutschen Bischofskonferenz ist, lud die Gläubigen dazu ein, sich mit dem "sperrigen" Begriff der Wahrheit zu beschäftigen. Die Geschichte lehre, dass Menschen, die glaubten, die Wahrheit gefunden zu haben, leicht eng und ausgrenzend würden, oft sogar gewalttätig, um andere zu bekehren. "Deshalb tun wir uns schwer mit der Rede von der Wahrheit", sagte Ackermann. Hinzu komme die Erfahrung, dass die Wahrheit, wenn sie ans Licht komme, meist "enttäuschend und schmutzig" sei.



Dennoch bildeten weder Enttäuschung noch die Aufdeckung von Fehlern, weder Krankheit noch Dunkelheit die letzte Wahrheit des Lebens, so der Bischof weiter. Unter der trüben Oberfläche könne es noch eine Tiefenschicht geben, auf die Weihnachten hinweise. "Die Liebe Gottes zu den Menschen ist die letzte Wahrheit des Lebens und überwindet alles Dunkel", sagte Ackermann.