Erzbischof Zollitsch blickt zum Jahreswechsel zurück und voraus

Viel Vertrauen in die Kirche verloren gegangen

"Eine Rede an ,seine' Nation, in der er uns an unsere Werte und Wurzeln erinnert, wäre ermutigend." Erzbischof Zollitsch blickt erwartungsvoll auf den Papstbesuch im September 2011. Zum Jahreswechsel resümiert er das von der Missbrauchskrise überschattete Jahr. Außerdem spricht er über den Krieg in Afghanistan und kündigt einen "engagierten Streit" gegen eine PID-Zulassung an.

 (DR)

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Robert Zollitsch, appelliert an die Bundestagsabgeordneten, ein umfassendes Verbot von Gentests an Embryonen zu beschließen. Die katholische Kirche werde "sehr engagiert dafür streiten", dass das Parlament die Präimplantationsdiagnostik (PID) nicht zulasse, sagte der Freiburger Erzbischof der "Passauer Neuen Presse". "Jeder Abgeordnete sollte hier sein Gewissen prüfen."



Gefahr eines Dammbruchs

Es bestehe "die Gefahr eines Dammbruchs, wenn sich der Mensch zum Herrn über andere Menschen macht und bestimmt, welches Leben sich entwickeln darf und welches nicht", fügte Zollitsch hinzu. Er bedauerte, dass der CDU-Parteitag im November nur mit knapper Mehrheit für ein PID-Verbot votierte: "Die CDU hätte eine klarere Linie ziehen und sich eindeutig gegen jede Form der Präimplantationsdiagnostik aussprechen müssen."



Zollitsch zeigte sich bestürzt über den durch den Missbrauchsskandal entstandenen Vertrauensschaden der Kirche. "Wir haben erlebt, dass Menschen von ihrer Kirche bitter enttäuscht sind. Da ist viel Vertrauen verlorengegangen", sagte Zollitsch den "Ruhr-Nachrichten". "Dass viele Menschen aus diesem Grund ausgetreten sind, stimmt uns traurig. Das sind schmerzliche Prozesse."



Missbrauch in Kirchen: "moralisch schlimmer"

Missbrauch finde allerdings in der gesamten Gesellschaft statt, nicht nur in der Kirche, fügte der Freiburger Erzbischof hinzu. "Aber es ist moralisch gesehen schlimmer, wenn es ihn in der Kirche und ihren Einrichtungen gibt." Zollitsch betonte, dass die Kirche alles dafür tun werde, damit sich solche Missbrauchsfälle nicht wiederholten. Dazu dienten auch die verschärften Leitlinien zum Umgang mit Verdachtsfällen und das Maßnahmenpaket zur Prävention. Der Erzbischof stellte eine rasche Entschädigungsregelung für die Opfer in Aussicht. Die Bischofskonferenz habe ihre Vorschläge zur materiellen Anerkennung erlittenen Leids am Runden Tisch der Bundesregierung vorgelegt. "Ich gehe davon aus, dass der Runde Tisch im nächsten Jahr zu einem umfassenden Vorschlag in Sinne der Betroffenen kommen wird", sagte er.



Verlangen nach religiöser Bindung

Kurz vor dem Weihnachtsfest sprach Zollitsch von einem in der Gesellschaft tief verankerten Bedürfnis nach Religion. "Die vollen Kirchen an den Festtagen zeigen das große Verlangen nach religiöser Bindung, auch ein Stück Spiritualität", sagte er. Er selber freue sich "über jeden, der an Weihnachten zu uns kommt". Das Fest sei für die Kirche "eine Chance, die Menschen einzuladen, regelmäßiger zu uns in die Kirche zu kommen".



Den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan bezeichnete der Erzbischof ausdrücklich als "Krieg". Er sprach sich jedoch gegen einen überstürzten Rückzug aus. "Vielleicht haben wir nicht von Anfang an klar genug gesagt, worum es geht: Es ist ein Krieg in Afghanistan, obwohl es eigentlich um die Befriedung und den Aufbau des Landes geht."



Afghanistan: "Wir können nicht einfach aussteigen"

Bei aller Sorge um das Leben der deutschen Soldaten solle nicht vergessen werden, wie viel Positives sie für das Land erreicht hätten. "Wir können nicht einfach Hals über Kopf aussteigen und das Land im Stich lassen. Aber es ist wichtig, dass eine Konzeption erarbeitet wird, die tatsächlich eine Lösung für Afghanistan bringt", bekräftigte Zollitsch.



Mit Blick auf den bevorstehenden Deutschland-Besuch des Papstes sagte Zollitsch, er erhoffe sich ein "starkes Signal" von der geplanten Rede des Papstes im Bundestag. "Eine Rede an "seine" Nation, in der er uns an unsere Werte und Wurzeln erinnert, wäre ermutigend."



Papstbesuch im September

Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dankte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast, die parteiinterne Kritiker einer Bundestagsrede Benedikts XVI. zurückgepfiffen hatte. "Ich bin Frau Künast dankbar für die klaren Worte innerhalb ihrer Partei", unterstrich der Geistliche. Die Grünen-Spitzenpolitikerin hatte im Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" gesagt: "Der Papst ist eingeladen, das ist in Ordnung so. Da gehen wir hin, und zwar respektvoll."



Das Verhältnis der Deutschen zum Papst sei nach Ansicht des Erzbischofs inzwischen wieder freundlicher, sachlicher und offener geworden, als es einige Zeit schien. "Der Papst musste manchmal als Mahner auftreten und verfolgt Ansichten, die nicht alle mit Beifall bedenken. Deshalb gab es auch in Deutschland kritische Fragen."