Seehofer beginnt historischen Prag-Besuch

Aufbruch zu Normalität

Aufbruch zu Normalität unter Nachbarn: 65 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ist Horst Seehofer am Sonntagnachmittag zum ersten offiziellen Besuch eines bayerischen Ministerpräsidenten in Prag eingetroffen.

 (DR)

Am Abend sollte er vom tschechischen Außenminister Karel Schwarzenberg zu einem Essen empfangen werden, für Montagvormittag ist ein mit Spannung erwartetes Treffen mit Premier Petr Necas geplant. Inwieweit dabei auch die bayerisch-tschechischen Streitfragen, insbesondere die Benes-Dekrete zur Vertreibung der Sudetendeutschen, eine Rolle spielen werden, blieb zunächst offen.



Zum Abendessen im Auswärtigen Amt wurden auch Vertreter von Politik, Wirtschaft und Kirchen beider Länder erwartet. Seehofer wird auf seiner Reise unter anderem von Europaministerin Emilia Müller (CSU), dem obersten Repräsentanten der Sudetendeutschen, Bernd Posselt, und dem Präsidenten der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft, Randolf Rodenstock, sowie Vertretern der katholischen Kirche und der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern begleitet.



Posselt fehlt bei Treffen mit Necas

Premier Necas stellte am Wochenende in der Tageszeitung "Pravo" klar, dass Posselt an den offiziellen Gesprächen des Prager Regierungschefs mit Seehofer nicht teilnehmen werde, da es dabei insbesondere um "fachliche Angelegenheiten" gehe, die nur mit sehr kleinen Delegationen beraten würden. Zugleich wandte sich Necas gegen Spekulationen, die tschechische Regierung habe versucht, auf die Zusammenstellung von Seehofers Delegation Einfluss zu nehmen. Eine solche Vorstellung sei "von einem anderen Stern, so läuft das in der Diplomatie nicht". Im Übrigen hätten Vertreter der Sudetendeutschen auch schon den Delegationen des früheren Bundeskanzlers Helmut Kohl (CDU) bei seinen offiziellen Staatsbesuchen in Tschechien angehört.



Zu Seehofers geplantem Abstecher ins Sudetendeutsche Büro in Prag sagte Necas, dieser werde zu einem Zeitpunkt stattfinden, zu dem der offizielle Tschechien-Besuch schon beendet sei. Es gehöre zu seinem Privatprogramm, und dabei könne er gehen, wohin er wolle. "Es ist nicht Teil des offiziellen Besuchsprogramms."



Streitpunkt Benes-Dekrete

Die bayerisch-tschechischen Beziehungen sind durch den Streit über die Vertreibung der Sudetendeutschen belastet. Der langjährige Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) hatte in seiner 14-jährigen Amtszeit stets ein offizielles Treffen mit tschechischen Regierungsvertretern ohne Beteiligung der Sudetendeutschen abgelehnt. Sein Nachfolger Günther Beckstein (CSU) war zu kurz im Amt, um seine Reisepläne nach Prag umsetzen zu können.



Seehofer betont bereits seit seinem Amtsantritt vor zwei Jahren seinen Willen, nach Tschechien reisen zu wollen. Auf dem Sudetendeutschen Tag im Mai versprach er den Heimatvertriebenen, dabei auch die Benes-Dekrete ansprechen zu wollen, die die Grundlage für die Vertreibung und Enteignung von Deutschen aus dem Sudetenland nach dem Zweiten Weltkrieg bildeten. Die bayerische Staatsregierung verlangt die Aufhebung der Erlasse, Tschechien hält die Frage durch die Deutsch-Tschechische Erklärung von 1997 für erledigt. Necas sagte vorab deutlich, es gebe in dieser Frage nichts zu verhandeln. Und selbst Außenminister Schwarzenberg, der die Dekrete selbst sehr kritisch sieht, sagte, dass die sudetendeutsche Frage bei dem Besuch keine Rolle spielen werde.

Am Montag trifft Seehofer neben Necas auch den Prager Erzbischof Dominik Duka und besichtigt den Veitsdom. Zum Abschluss der Reise besucht der das Jüdische Museum und spricht mit Vertretern der jüdischen Gemeinde.