Westerwelle verkündet Afghanistan-Abzug

In die Heimat im nächsten Jahr?

Fast zehn Jahre nach Beginn des Afghanistan-Einsatzes soll die Bundeswehr Ende 2011 mit dem schrittweisen Abzug deutscher Truppen beginnen. Außenminister Guido Westerwelle kündigte im Bundestag an, dass in den ersten Provinzen die Sicherheitsverantwortung bereits bis Sommer an die Afghanen übergeben werde. Ende 2011 werde dann das Bundeswehrkontingent am Hindukusch erstmals reduziert.

 (DR)

Im Januar muss das Parlament über eine Verlängerung des Mandats zur Beteiligung an der Internationalen Schutztruppe ISAF entscheiden. Derzeit sind rund 4.600 Bundeswehrsoldaten in Afghanistan im Einsatz. Bis zu 5.000 Einsatzkräfte sind dem Mandat zufolge möglich, zusätzlich einer Reserve von 350 Mann. --
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Abzug deutscher Kampftruppen bis 2014 --
Westerwelle sagte, der Einsatz sei richtig, dürfe aber nicht endlos dauern. Deutschland werde jeden Spielraum zum Rückzug nutzen, der gegeben sei, ohne dass die verbleibenden internationalen Soldaten dadurch gefährdet würden. Nach 2014 sollen schließlich keine deutschen Kampftruppen mehr am Hindukusch im Einsatz sein. "Der Fahrplan steht", sagte er. Der Übergabeprozess müsse aber sorgfältig, nachhaltig und unumkehrbar sein. "Wenn einen Tag später die Taliban wieder einziehen könnten, wäre niemandem geholfen." --
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Die Afghanistan-Strategie der schwarz-gelben Bundesregierung bezeichnete der Außenminister als realistisch, die Erwartungen an die Entwicklung des Landes seien nüchtern formuliert. Er räumte ein, dass die Zahl der Zwischenfälle zugenommen habe und begründete dies mit der Verstärkung der internationalen Truppenpräsenz. In dem zu Wochenbeginn vorgelegten Fortschrittsbericht der Bundesregierung zu Afghanistan wird die Sicherheitslage kritisch bewertet. Wörtlich heißt es in dem Papier: "2010 wurde zum verlustreichsten Jahr der internationalen Militärpräsenz." --
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Mit der 100-seitigen Studie wurde erstmals seit Beginn des Einsatzes am Hindukusch eine offizielle Zwischenbilanz gezogen. Gewürdigt werden darin Erfolge im Bildungswesen sowie in der Strom- und Wasserversorgung, aber auch die anhaltende Korruption angeprangert und die Menschenrechtslage als unzureichend eingeschätzt.--
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US-Rückzug beginnt früher --
Der SPD-Außenpolitiker Gernot Erler forderte von der Regierung mehr Klarheit über den Abzug deutscher Soldaten. Die Worte Westerwelles müssten sich auch im Text des neuen Bundeswehrmandats wiederfinden. Zudem müsse sichergestellt werden, dass der deutsche Rückzug "in zeitlicher Tuchfühlung" mit den Amerikanern bleibe, fügte der Fraktionsvize, der bis Herbst 2009 Staatsminister im Auswärtigen Amt war, hinzu. Am Donnerstag wollte US-Präsident Barack Obama in Washington einen Bericht zur amerikanischen Afghanistan-Strategie vorstellen, in dem der Abzug von US-Truppen ab Juni 2011 bekräftigt wird. --
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Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken, Jan van Aken, forderte Westerwelle auf, sich in der Frage ein Beispiel an Obama zu nehmen. Doch der FDP-Politiker fahre eine "Vernebelungstaktik", kritisierte er und verwies darauf, dass Westerwelle lediglich einen Abzug deutscher "Kampftruppen" bis 2014 versprochen habe. Falls aber noch andere Einheiten im Land blieben, müsse dies "auf den Tisch" kommen, sagte van Aken. Ein Entschließungsantrag der Linken zu einem unverzüglichen Abzug der deutschen Soldaten lehnte Bundestag mit großer Mehrheit ab. --
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Grünen-Fraktionsvize Frithjof Schmidt verlangte ebenfalls von der Regierung konkrete Aussagen darüber, ob deutsche Soldaten noch nach 2014 in dem Land bleiben sollten. Für ihn sei zudem nicht nachvollziehbar, woher der Außenminister den Optimismus nehme, dass es 2011 zu einer Trendwende in Afghanistan komme. Die Fakten des Fortschrittsberichtes böten eher Anlass zur Sorge. --
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Gabriel gerügt --
Mehrere Politiker von Union und FDP nahmen bei der Debatte Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg gegen Oppositionskritik in Schutz. Der CSU-Politiker war zu Wochenbeginn gemeinsam mit seiner Frau Stephanie und einem Fernsehmoderator nach Afghanistan gereist und hatte dort eine Talk-Sendung für den Privatsender Sat.1 aufgezeichnet. Die Opposition reagierte empört und SPD-Chef Sigmar Gabriel hatte gespottet, es fehle noch der Truppenbesuch des TV-Sternchens Daniela Katzenberger. Unions-Fraktionschef Volker Kauder schimpfte, die "ordinäre Art und Weise", in der sich Gabriel geäußert habe, sei nicht zu akzeptieren. Auch Westerwelle wies die "Schmähkritik an Frau zu Guttenberg" als "einfach unanständig" zurück.