Schauspieler Lambert Wilson zu "Von Menschen und Göttern"

"Der Film transportiert Werte, die die Menschen brauchen"

Heute läuft in den deutschen Kinos Xavier Beauvois Film "Von Menschen und Göttern" an. Der Film erzählt die Entführung und Ermordung von sieben Mönchen in Algerien im Jahr 1996.

Autor/in:
Veronika Schütz
 (DR)

In Frankreich wurde er zu einem Kassenschlager, bei den Filmfestspielen in Cannes erhielt er den großen Preis der Jury. Im Interview mit der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) sprach Hauptdarsteller Lambert Wilson am Mittwoch in Berlin über die Dreharbeiten, Ängste und Zweifel und den Umgang mit anderen Religionen.

KNA: Herr Wilson, wussten Sie vor dem Film schon etwas über die Mönche in Tibhirine und deren Ermordung?
Wilson: Ehrlich gesagt nicht. Ich wusste, dass sie ermordet wurden.
Das weiß jeder in Frankreich, es schockierte damals das ganze Land. Vermutlich ist das auch der Grund, warum so viele Menschen den Film sehen wollen. Die Geschehnisse damals haben die Leute in Frankreich wirklich bewegt. Ich hab zur Vorbereitung Bücher über die Mönche als Gemeinschaft gelesen, aber auch über jeden einzelnen, besonders natürlich über Christian, den ich im Film spiele. Und so habe ich ihn mehr und mehr entdeckt.

KNA: War das die gesamte Vorbereitung für den Film?
Wilson: Die Vorbereitung war eigentlich zweigeteilt: Der eine Teil bestand darin, dass wir uns bewusst zurückgezogen haben. Der Regisseur wollte, dass wir in zwei Gruppen mit je vier Schauspielern in ein Trappistenkloster in den französischen Alpen fahren. Von dort kamen vier der Mönche, die damals geköpft worden sind. Wir haben den Tagesablauf der Mönche dort miterlebt, an den Messen und den Gebeten teilgenommen und wir haben auch einige Mönche getroffen. Aber der größte Teil der Vorbereitung galt dem Singen. Wir hatten einen Gesangslehrer, der sich sehr gut in religiösen Gesängen und Gregorianik auskannte. Dieses gemeinsame Singen trug dazu bei, dass wir eine Einheit in unserer Gruppe fanden. Sie müssen bedenken: Die Mönche, die wir darstellen, verbringen jeden Tag etliche Stunden damit zu singen. Dafür leben sie. Sie beten, sie singen, sie arbeiten.

KNA: Was sagten die Mönche in dem Alpenkloster dazu, dass Sie diesen Film machten?
Wilson: Ehrlich gesagt waren sie ein wenig besorgt, denn sie wollen keine Öffentlichkeit. Es sind ja Trappisten, ziemlich strenge Ordensleute. Sie sind Mönche geworden, um weg von der Welt zu sein. Sie sehen nicht die Notwendigkeit, so einen Film zu machen. Aber sie waren im Nachhinein freudig überrascht. Wir zeigten den Film auch einem der überlebenden Mönche, der jetzt in Marokko in einem anderen Kloster lebt. Er war sehr bewegt von dem Film.

KNA: Mehr als drei Millionen Franzosen haben den Film bereits gesehen. Was macht ihn so erfolgreich?
Wilson: Der Film transportiert Werte, die die Menschen brauchen. Brüderlichkeit, Altruismus, Liebe. Ich habe noch eine andere Sichtweise: Nach dem Film waren die Leute berührt, sie fühlten sich gut. Denn der Film hat einen anderen Takt. Die Zeit der Mönche ist nicht die der modernen Welt. Die Zeit der modernen Welt ist hart, jeder ist im Internet oder am Telefon, und wir sind wahnsinnig schnell. Aber das macht uns nicht glücklich. Die Mönche haben einen anderen Rhythmus. Sie haben eine Zeit zu beten, eine Zeit zu arbeiten, eine Zeit zu singen. Das fühlt sich gut an. Anfangs sind die Zuschauer vielleicht ein wenig überrascht, dass der Film so langsam ist. Aber diese Langsamkeit nimmt sie ein und fasziniert sie. Und natürlich sind da auch noch Werte wie Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit. Freiheit, weil sie jederzeit entscheiden können zu gehen. Brüderlichkeit weil sie Brüder aller Menschen sind, und Gleichheit, weil sie alle gleich sind.

KNA: Welche Rolle spielt die Religion?
Wilson: Meines Erachtens ist es kein religiöser Film. Einmal spricht Pater Christian mit einem der Fundamentalisten über den Koran. An einem anderen Stelle gibt es eine sehr interessante Diskussion über Inkarnation. Aber es ist mehr ein Film über Männer und über das Menschsein. Was es eben bedeutet, in größter Unterschiedlichkeit Mensch zu sein. Und es geht auch darum, mit welcher Größe diese sieben Männer in Extremsituationen miteinander umgehen. Der Film ist also mehr humanistisch als religiös.

KNA: Was können Zuschauer aus dem Film mitnehmen?
Wilson: Es ist ein interessanter Film über das Leben im Kloster. Aber es ist mehr. Die Mönche geben uns eine Botschaft mit: keine Angst vor anderen zu haben, in einer Zeit, in der dir jeder sagt, du musst Angst haben. Diese Männer machen weiter - trotz ihrer Ängste, trotz ihrer Zweifel. Sicher, sie sind alle voller Zweifel, sie sind konfrontiert mit sich selbst, und alles wird infrage gestellt. Aber sie finden eine Antwort. Ich glaube, Papst Johannes Paul II. hat uns das auch mal mit auf den Weg gegeben: Keine Angst vor Anderem zu haben und in deinem Nächsten einen Bruder zu sehen. Das, denke ich, ist auch die zentrale Botschaft des Films.