Irakische Regierung schützt christliche Kirchen mit Mauern

Weihnachten hinter Mauern

Zum Schutz christlicher Kirchen im Irak werden in Bagdad und Mossul zurzeit bis zu drei Meter hohe Betonmauern um die Gotteshäuser errichtet. Die irakische Regierung reagiert mit dieser Maßnahme auf die erhöhte terroristische Bedrohungslage für Christen in der Adventszeit. Am Freitag debattiert der Bundestag über bedrohte Christen.

 (DR)

An den Durchgangsstellen sollen laut Bericht Polizeikontrollen mit Körperscannern eingerichtet werden. Das berichtete das internationale katholische Hilfswerk "Kirche in Not" am Mittwoch in München unter Berufung auf Augenzeugen. Die Regierung hoffe, dadurch weitere Anschläge gegen Christen zu verhindern, heißt es in der Mitteilung. Beim schwersten Terroranschlag auf irakische Christen in diesem Jahr waren am 31. Oktober in der syrisch-katholischen Kathedrale Bagdads 58 Menschen getötet worden. In den Wochen darauf hatten islamistische Terroristen weitere Angriffe auf christliche Wohnhäuser verübt.



Laut "Kirche in Not" sind die Mauern um die Gotteshäuser ein "ungewöhnlich starkes Signal" für den Schutz der christlichen Gemeinden seitens der Behörden. Die katholische Kirche in Bagdad und Mossul habe angekündigt, Weihnachten wegen der bedrohlichen Lagen dieses Mal nur in den bewachten Gotteshäusern zu feiern. Üblich seien sonst auch Feste in den Gemeindezentren.



Thema im Bundestag

Am Freitag will sich im Nachgang zum Tag der Menschenrechte am 10. Dezember - der Bundestag mit der Lage der Religionsfreiheit weltweit befassen. Dazu liegen gleich drei Anträge vor. Von den Koalitionsfraktionen kommt die Vorlage "Religionsfreiheit weltweit schützen". Die SPD bringt den Antrag "Das Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit als politische Herausforderung" ein und die Grünen wollen "Das Menschenrecht auf Religions- und Glaubensfreiheit stärken". Die Akzente sind unterschiedlich, das Anliegen dasselbe.



"Die Religionsfreiheit ist in 64 Ländern der Erde, in denen zusammen fast 70 Prozent der Weltbevölkerung leben, sehr stark eingeschränkt oder gar nicht existent", heißt es in der ersten Zeile des Antrags von Union und FDP. Der Debatte im Plenum wollen auf der Besuchertribüne führende Vertreter von Religionsgemeinschaften verfolgen, die selbst Repressionen ausgesetzt sind. Dazu zählt auch der Bischof der chaldäisch-katholischen Kirche in Bagdad, Shlemon Warduni.



Angst im Irak

"Weihnachten ist die Botschaft von Hoffnung und Frieden - beides haben wir verloren", meint Abdullah Hermiz Jajo Alnaufali, ein Christ aus Bagdad. "Die meisten Gläubigen werden sich nicht in die Weihnachtsmetten wagen", sagt er nachdenklich und blättert durch Fotos vom Anschlag auf die Kirche "Our Lady of Salvation" in der irakischen Hauptstadt: von Schüssen entstellte Gesichter, blutbespritzte Wände, zerborstene Kirchenbänke.



Am 31. Oktober waren 51 Gläubige und drei Priester zu Tode gekommen. Islamistische Terroristen hatten sich in der syrisch-katholischen Kirche mit 120 Geiseln verschanzt, Sicherheitskräfte stürmten das Gotteshaus. Das Blutbad war der bislang traurige Höhepunkt wachsender religiöser Verfolgung im Jahr 2010 - nicht nur im Irak.



"Es gibt keine christliche Familie, die derzeit nicht den Irak verlassen will", sagt Aziz Emanuel Al-Zebari, Pädagogikprofessor in Erbil und Sprecher des syrisch-katholischen Christenrates. Er besucht derzeit mit einer kleinen Delegation irakischer Christen Deutschland, um zwischen Hoffnung und Verzweiflung für politische Unterstützung zu werben. Seit 2003 hat bereits die Hälfte der geschätzten 800.000 irakischen Christen das Land verlassen. 2.500 fanden im Jahr 2009 Zuflucht in Deutschland.



Hassprediger in Medien und Moscheen

Unterdessen geht die Gewalt im Irak weiter - angefacht durch Hassprediger in Medien und Moscheen, so Pädagogikprofessor Al-Zebari. Und Abdullah Alnaufali hat zwar nach eigenen Angaben viele muslimische Freunde, er stellt aber mit Bangen eine zunehmende Radikalisierung unter den Muslimen fest. Seine Kinder hat er nach offenen Anfeindungen in Schule und Universität bereits ins Ausland geschickt.



In einem der Kernländer der Bibel ist das Christentum längst aus den Geschichtsbüchern gestrichen, berichtet die Delegation. In einzelnen Regionen meidet die Mehrheitsbevölkerung den Umgang mit Christen, vom Handschlag bis zur Konversation auf dem Markt. "Weil wir als unrein gelten", meint ein Delegationsmitglied, das aus Angst nicht genannt werden möchte. Auch hier zeigen die offenen Drohungen über Lautsprecher oder Handzettel Wirkung. Sollte es keine politische Lösung geben, "steht das Christentum im Irak vor der Auslöschung", fürchtet Al-Zebari.



Während die Christen im Irak einer ungewissen Zukunft entgegensehen, leiden Angehörige anderer Religionsgemeinschaften ebenfalls unter Verfolgung und Bedrohung: Bahai im Iran, Kopten in Ägypten, Muslime in Indien. Selbst in der Türkei wird die Religionsfreiheit stark eingeschränkt, wie die EU in ihrem jüngsten Fortschrittsbericht zu den Beitrittsgesprächen feststellt. Nicht umsonst gehört der Patriarchalvikar der chaldäisch-katholischen Kirche in Istanbul, Francois Yakan, ebenfalls zu den Gästen auf der Besuchertribüne im Bundestag. Der Debatte am Freitag wird er mit lebhaftem Interesse folgen.