Lob und Kritik nach Veröffentlichung der neuen Pisa-Studie

"Aufgestiegen in die Erste Liga"

Gemischte Bilanz bei der Pisa-Studie: Während deutsche Schüler im internationalen Vergleich beim Lesen Mittelmaß bleiben, liegen sie in den Bereichen Mathematik und Naturwissenschaften mittlerweile im Spitzenfeld. Für den Bund der Deutschen Katholischen Jugend nach wie vor "erschreckend": die fehlende Chancengleichheit.

 (DR)






Wie aus der am Dienstag in Berlin vorgestellten Schulleistungsstudie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) weiter hervorgeht, konnte sich Deutschland im Vergleich zur ersten Untersuchung im Jahr 2000 kontinuierlich verbessern. Allerdings lasse besonders die Einordnung und Bewertung von Texten zu wünschen übrig. Außerdem hänge der Bildungserfolg nach wie vor stark vom sozialen Umfeld der Schüler ab.



"Deutschland ist aufgestiegen, aus der Zweiten in die Erste Liga", kommentierte der Leiter des OECD Berlin Centre, Heino von Meyer, die Ergebnisse. Aber von der Champions League sei man noch weit entfernt. Nach wie vor trennten das deutsche Schulwesen im Bereich der Lesefähigkeit mit 497 Pisa-Punkten drei Punkte vom OECD-Mittelwert, der auf 500 Punkte festgesetzt wurde. Damit liegen deutsche Jungendliche in diesem Bereich etwa gleichauf mit ihren Altersgenossen in den USA, Schweden, Frankreich oder Großbritannien.



Die Pisa-Studie findet seit dem Jahr 2000 alle drei Jahre statt. An der jetzt veröffentlichten Untersuchung nahmen im Frühjahr 2009 rund 500.000 Schüler aus 65 Länder teil. In Deutschland beteiligten sich etwa 5.000 Jugendliche im Alter von 15 Jahren aus rund 220 Schulen.



Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) wertete die Ergebnisse der Studie als grundsätzlich positiv. "Wir sind dem Ziel der Bildungsrepublik Deutschland ein großes Stück nähergekommen", sagte Schavan. Dies sei in erster Linie das Verdienst der Lehrerinnen und Lehrer. Ähnlich äußerten sich der Präsident der Kultusministerkonferenz, der bayerische Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU), und seine rheinland-pfälzische Kollegin Doris Ahnen (SPD).



Gemischte Reaktionen in Politik

Der bildungspolitische Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion, Patrick Meinhardt, rief dazu auf, die Schulen vor Ort zu stärken. Nicht "Beglückungsprogramme von oben" und neue Strukturdebatten seien jetzt gefragt, sondern ein stabiler Rahmen, in dem die Vermittlung von Wissen erfolgen könne. Kritik kam von den Grünen und den Linken sowie von Bildungsexperten.



Der Grünen-Vorsitzender Cem Özdemir bezeichnete die Studie als "Ohrfeige für alle, die stur am dreigliedrigen Schulsystem festhalten". Die Untersuchung zeige, dass Leistungsunterschiede bei Jugendlichen auf diese Weise zementiert würden. Die "Bildungsrepublik Deutschland" bleibe eine Illusion, solange fast jeder fünfte 15-Jährige nur auf Grundschulniveau oder schlechter lesen könne. Auch die bildungspolitische Sprecherin der Linken-Fraktion, Rosemarie Hein, forderte einen Abschied vom dreigliedrigen Schulsystem.



BDKJ: Skandal

Vertreter von Gewerkschaften und Verbänden sprachen sich für Verbesserungen bei der Ausbildung von Lehrern aus. Außerdem müssten die Kultusminister endlich ein Konzept für Nachwuchswerbung von Lehrern auf den Tisch legen, sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Josef Kraus, der "Saarbrücker Zeitung" (Mittwoch). Die Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft beklagte Mängel in der systematischen Leseförderung.



Der Chef des Deutschen Philologenverbandes, Heinz-Peter Meiniger, warf auf "Bild online" den Verantwortlichen eine gescheiterte Integrationspolitik vor. Dadurch schnitten vor allem Kinder aus Migrantenfamilien bei den Pisa-Tests schlecht ab. Der Paritätische Wohlfahrtverband sprach in diesem Zusammenhang von einem "integrationspolitischen Armutszeugnis". Und der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) wertete es als "besonders erschreckend", dass Schulen in sozialen Brennpunkten offenbar schlechter ausgestattet seien als Einrichtungen in wohlhabenden Vierteln. "Mini-Verbesserungen" beim Abschneiden deutscher Schüler täuschten nicht über den Skandal hinweg, dass hierzulande Bildung immer noch mit der Geburt in ein Umfeld entschieden werde, erklärte die BDKJ-Vorsitzende Ursula Fehling.