Papst-Äußerungen zu Kondomen eröffnen Debatte über Sexualethik

Hut in den Ring geworfen

Die Äußerungen von Papst Benedikt XVI. zu Kondomen haben auch in der katholischen Kirche Deutschlands zu einer Debatte über die katholische Sexualethik geführt. Neben dem Bamberger Erzbischof Ludwig Schick und dem Hamburger Weihbischof Hans-Jochen Jaschke meldet sich nun auch der Kölner Kardinal Joachim Meisner zu Wort.

Joachim Kardinal Meisner (DR)
Joachim Kardinal Meisner / ( DR )

Die Papstäußerungen zum Gebrauch von Kondomen "in begründeten Einzelfällen" sind nach Ansicht des Kölner Kardinals Joachim Meisner nicht grundlegend neu. Sie bekräftigten frühere Aussagen von Benedikt XVI., wonach sich das Aids-Problem nicht allein durch die Verteilung von Kondomen lösen lasse, erklärte Meisner am Mittwoch in Köln. "Sexualität, Liebe, Verantwortung - die drei gehören untrennbar zusammen, sagt der Papst."



Es gehe darum, Sexualität als Ausdruck der Liebe zu leben, damit sie ihre positive Wirkung im Ganzen des Menschseins entfalten könne, so der Kölner Kardinal. "Wir brauchen eine Kultur verantwortlicher Sexualität." Meisner lobte den Interview-Band als eines der lesenswertesten Bücher der letzten Zeit. Der Papst beschenke "die Gläubigen und alle Menschen guten Willens mit seiner theologischen Weltsicht und tiefgreifenden Überlegungen über die Kirche und Welt", so der Kardinal.



Erzbischof Schick: Eindämmung von Aids im Mittelpunkt

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick erklärte am Dienstag, Papst Benedikt XVI. gehe es "nicht um die Erlaubnis von Kondomen, sondern um die Eindämmung von Aids". Der Papst setze sich dafür ein, "dass alles getan werden muss, dass diese schreckliche Krankheit sich nicht weiter verbreitet", erklärte der Vorsitzende der Kommission Weltkirche der Bischofskonferenz.



Neu sei, dass Benedikt XVI. für bestimmte Situation den Gebrauch von Kondomen ausnahmsweise für möglich halte, führte Schick weiter aus. Es sei Sache des Papstes, zu benennen, welche konkreten Ausnahmen aus katholischer Sicht erlaubt seien. Grundsätzlich habe er aber erneut bestätigt, dass Abstinenz und Treue in der Ehe die Ausbreitung von Aids am besten verhinderten.



Mit den Einschätzungen zum Gebrauch von Kondomen bei einer HIV-Infektion gibt der Papst nach Ansicht des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, zu erkennen, dass er "die Realitäten und die Lebenswirklichkeit" kennt. Die Aussagen seien zwar keine Sensation, "aber doch etwas Neues". Zollitsch zeigte sich sehr gespannt darauf, ob Benedikt XVI. diese Gedanken noch weiterentwickeln werde und ob sie die Lehrmeinung der katholischen Kirche mitprägen würden. Vatikansprecher Federico Lombardi bekräftigte bei der Pressekonferenz, dass die Äußerung des Papstes über Kondome keine grundlegende Neuerung der kirchlichen Lehre darstelle. Der Papst selbst habe diese Erklärung gegengelesen und autorisiert, sagte Lombardi.



Jaschke: Nur Änderung des Verhaltens kann Aids stoppen

Nach Ansicht des Hamburger Weihbischofs Hans-Jochen Jaschke haben die Aussagen des Kirchenoberhaupts auch Geltung für heterosexuelle Paare. "Frauen werden ja in Afrika vielfach mit Aids angesteckt, weil die Männer sich nicht beherrschen, weil sie wie die Machos auftreten", sagte Jaschke am Dienstag "Radio Hamburg". Demnach sei das Kondom "keine Erleichterung für die Männer, sondern eine Hilfe für einen verantwortlichen Umgang mit Sexualität zwischen Mann und Frau genauso", so der Weihbischof.



Die geänderte Haltung des Papstes sieht Jaschke in den "schrecklichen Aids-Bedrohungen" in Afrika, Osteuropa, Indien und China begründet. "Alle Verantwortlichen sagen, die Abwehr von Aids kann nur mit einer Änderung des Verhaltens wirklich Erfolg haben.

Aber in eine Änderung des Verhaltens und in eine humane Sicht der Sexualität gehört dann auch das Kondom hinein, und das Kondom kann in bestimmten Situationen ja das geringere Übel sein", sagte der Bischof.



Stefan Hippler, katholischer Aidsseelsorger in Südafrika, sieht in den Papst-Äußerungen "einen ersten feinen Haarriss in einer Mauer aus Beton". Sie seien "ein Zeichen, dass sich die Kirche doch bewegt", schreibt der Trierer Diözesanpriester in der "Süddeutschen Zeitung" (Dienstag). "Was Sexualität bedeutet und im 21. Jahrhundert wissenschaftlich erarbeitet worden ist, muss in die Entwicklung der Moraltheologie einfließen."



Hippler (50) war 1997 nach Südafrika gegangen, um am Kap die deutschsprachigen Katholiken zu betreuen. Später wandte er sich der Betreuung von Aidskranken zu und gründete dafür das Hilfsprojekt "Hope". 2007 machte Hippler Schlagzeilen mit einem Buch unter dem Titel "Gott, Aids, Afrika". Darin beschwor er den Papst, die katholische Sexualmoral mit Blick auf die Ausbreitung von Aids zu überdenken.



Hippler: Papst ist moralische Instanz in Afrika

Kritik übte der Priester am päpstlichen Verständnis von Sexualität. Diese werde "entweder in der Ehe oder aber als Droge gesehen". Er, Hippler, frage sich, "ob es zwischen den beiden Positionen nicht noch eine Menge gibt, gerade bei jungen Menschen, die ihre Sexualität vor der Ehe nicht als Droge verstanden wissen wollen, sondern als Ausdruck ihrer Emotionen, ihrer Liebe".



In einem am selben Tag veröffentlichten Interview der "Stuttgarter Nachrichten" beschreibt Hippler den Papst als "moralische Instanz, auch in Südafrika, egal ob man katholisch ist oder nicht". Das Wort des Kirchenoberhauptes habe Gewicht. Die Äußerungen nähmen den Druck "von vielen frommen Nonnen und Ordensleuten, die versuchen, kirchlich zu leben, die aber in Südafrika in der Schizophrenie stehen, auf der einen Seite zu hören, was die Kirche sagt, auf der anderen Seite in der Praxis oft etwas anderes tun zu müssen".