Muslimische Verbände befassen sich mit Bertelsmann-Studie

"Bessere Integration durch Bildung"

Das Thema Integration von Muslimen in Deutschland ist derzeit etwas aus dem öffentlichen Fokus geraten. Doch zeigte die teils hitzige Debatte nach den Thesen von Thilo Sarrazin und der Aussage des Bundespräsidenten, der Islam gehöre inzwischen zu Deutschland, dass hier offenbar Klärungsbedarf besteht.

Autor/in:
Stefan Buchholz
 (DR)

So lud das Zentrum für Interkulturelle Islamstudien (ZIIS) der Universität Osnabrück am Montagabend ein, sich der Tatsachen muslimischer Realität im Land zu vergewissern. "Muslime sind hierzulande deutlich religiöser als der Rest der Gesellschaft", sagte Ferdinand Mirbach von der Bertelsmann-Stiftung, die vor drei Jahren einen Religionsmonitor erstellt hatte. Dafür beantworteten 21.000 Menschen aus 21 Ländern Fragen darüber, wie sie es mit der Religion halten.



41 Prozent der rund vier Millionen Muslime in Deutschland sind laut der Bertelsmann-Befragung als "hochreligiös" einzustufen.  Demgegenüber haben nur 18 Prozent aller Christen im Land eine ähnlich hohe Verbundenheit mit ihrem Glauben. Allerdings: Das hohe Interesse vieler Muslime an religiösen Fragen "korrespondiert mit einem geringen Kenntnisstand über den Islam", so der Religionsexperte.



Zudem ergab die Umfrage, dass die Muslime in Deutschland nach Antworten suchen, wie man sich als guter Gläubiger "in einer Welt der Verlockungen verhalten" soll, sagte Mirbach. Ebenso lasse sich aus dem Religions-Monitor keine politische Radikalisierung durch den Islam heraus lesen. Neben Ehe, Freizeit und Bildung spiele Politik selbst für die hochreligiösen Männer und Frauen keine wesentliche Rolle. Anders allerdings im Bereich Bildung: Sie erkenne nahezu jeder Muslim als wichtig an.



Und der Zusammenhang von Gewalt und Glauben?

Das hohe Interesse muslimischer Jugendlicher an religiösen Themen führte Mirbach auf "ein erhöhtes Krisenbewusstsein" wegen mangelnder Lebenserfahrung zurück. "Auch bei jüngeren Christen sind wir etwa auf ein Interesse an Fragen nach dem Jenseits gestoßen." Firouz Vladi von der Vereinigung niedersächsischer Muslime verurteilte eine Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN).



Sie hatte einen engen Zusammenhang zwischen Gewaltbereitschaft und Religion bei jungen, männlichen Muslimen festgestellt. "Das ist zu einfach und lässt sich nur damit erklären, dass ein mit Drittmitteln finanziertes Institut Medienaufmerksamkeit benötigt", kritisierte Vladi. Umfragen hätten längst ergeben, dass sich ein Zusammenhang von Gewalt und Glauben nicht erhärten lasse.



Der niedersächsische Landesbeauftragte des Zentralrats der Muslime, Sadiqu Al-Mousllie, wies darauf hin, dass die muslimischen Gemeinden in Deutschland zu wenig über sich selbst und ihre Verankerung in der deutschen Gesellschaft wüssten. Er führte das auch darauf zurück, dass bislang viele Imame aus dem Ausland in Deutschland gearbeitet hätten, denen manchmal ein Interesse an der deutschen Gesellschaft gefehlt habe.



Der Mediziner ermunterte alle "meinungsbildenden Leute" in den Gemeinden, den Befund der Bertelsmann-Untersuchung weiter zu tragen. "Wenn es stimmt, dass fast jeder Muslim Bildung als Chance zur Teilhabe erkennt, dann kann Integration auch eher gelingen." Auch wenn es noch genügend Gegenbeispiele gebe, so ließe sich doch bei Jugendlichen und jungen Familien erkennen, dass "sie dieses Thema besser angehen", zeigte sich Al-Mousllie überzeugt.