New Yorker Erzbischof Dolan wird neuer Vorsitzender der US-Bischöfe

Wuchtig, volksnah und dynamisch

Eine Überraschung in den USA: Timothy Dolan, der Oberhirte des "Big Apples", vertritt in Zukunft die US-Bischöfe. Die zur Vollversammlung in Baltimore versammelten Bischöfe votierten für den New Yorker Erzbischof. Dolan machte von sich in der Diskussion um Moscheepläne nahe "Ground Zero" reden.

Autor/in:
Ronald Gerste und Alexander Brüggemann
 (DR)

Paukenschlag in Baltimore: Die US-Bischofskonferenz, die seit Dienstag hinter verschlossenen Türen zu ihrer Herbstvollversammlung tagt, hat mit der Tradition gebrochen - und ihren bisherigen stellvertretenden Vorsitzenden nicht turnusgemäß zum Vorsitzenden gewählt. Bischof Gerald Kicanas (69) von Tucson erhielt lediglich 111 von 239 Stimmen, 17 weniger als der New Yorker Erzbischof Timothy Dolan. Der 60-jährige Dolan ist damit künftig ungekrönter König der US-Bischöfe - und ihr prominentestes Gesicht ohnehin.



Mediales "Gesicht der US-Kirche"

Der Vorsitz macht ihn noch mehr als zuvor zum medialen "Gesicht der US-Kirche". Der erst 2009 ernannte Oberhirte von New York ging mit großen Erwartungen an den Start. Der wuchtige, volksnahe und dynamische Bischof irischer Abstammung schien dem Vatikan der richtige Mann, neuen Schwung ins kirchliche Leben des "Big Apple" zu bringen. Mit mehr als 2,5 Millionen Katholiken ist die Erzdiözese zwar "nur" die zweitgrößte des Landes nach Los Angeles. Doch wegen der besonderen Stellung New Yorks als Trendsetter und globale Medien- und Wirtschaftsmetropole nannte Johannes Paul II. den New Yorker Amtsinhaber einmal den "Bischof der Hauptstadt der Welt".



Dolan zählt unter den US-Bischöfen zu den gemäßigten Konservativen. Auch in New York musste der frühere Erzbischof von Milwaukee, der dort allzu liberale Experimente unter seinem Vorgänger beendete, nicht lange auf seine erste große Bewährungsprobe warten: Im landesweiten Streit um ein islamisches Begegnungszentrum mit Moschee am Ground Zero, dem Ort der Terroranschläge des 11. September 2001, nahm er zuletzt eine gemäßigte Position ein und warb um Besonnenheit.



Medien in dem Traditionsbruch

Vor drei Jahren war Dolan, damals noch Erzbischof von Milwaukee, bei der Wahl zum Vizepräsidenten - und damit zum Vorsitzenden in Wartestand - knapp hinter Kicanas geblieben. Nun zog er an dem liberalen Bischof aus Arizona vorbei. Entgegen der lang geübten Praxis ist also nicht der Vize zum Vorsitzenden gewählt worden.



Schon sehen liberale Medien in dem Traditionsbruch einen Richtungswechsel: Kicanas, ein Protagonist der "sozialen Gerechtigkeit" und Verfechter humanerer Einwanderungsgesetze, werde durch den konservativen Integrator aus New York abgelöst, heißt es da. Auch bei der Wahl zu Dolans künftigem Stellvertreter dominierten schließlich die konservativen Kandidaten: Erzbischof Joseph Kurtz (64) von Louisville, in der Bischofskonferenz für Fragen von Ehe und Familie zuständig und ein wortstarker Gegner der sogenannten Homo-Ehe, setzte sich durch. Die zweitmeisten Stimmen erhielt Denvers Erzbischof Charles Chaput (66), ebenfalls ein Wortführer konservativer theologischer Positionen.



Thema bei Vollversammlung ist auch US-Gesundheitspolitik

Natürlich beschäftigen sich die Bischöfe in Baltimore nicht nur mit den eigenen Personalien: Ein Thema unter anderen ist die Gesundheitspolitik der US-Regierung von Präsident Barack Obama. Vor zwei Wochen musste Obamas Demokratische Partei bei den Kongresswahlen eine herbe Niederlage einstecken. Zu den umstrittenen Projekten der Regierung, die nicht bei allen Wählern ankommen, gehört auch die Gesundheitsreform.



"Obamacare" bedeutet für konservative Amerikaner zu viel staatlichen Eingriff, ja sogar, wie es verschiedentlich heißt, "Sozialismus". Für viele Ärzte und die Gesundheitsindustrie steht das Gesetzesbündel für drohende Einkommens- beziehungsweise Umsatzeinbußen, und für wieder andere gibt es ethische Bedenken. Zu diesen gehören die katholischen Bischöfe. Zum Auftakt ihrer Beratungen gab es Kritik an der Gesundheitsreform, denn die US-Bischöfe sehen die Gefahr, dass über die nunmehr beabsichtigte staatliche Versorgung Steuermittel für Abtreibungen benutzt werden könnten.



Bischöfe warnen vor staatlicher Abtreibungsfinanzierung

"Unsere Analyse des Gesetzes", so betonte der nun ehemalige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Francis George aus Obamas Heimatstadt Chicago in seiner Bilanz, "war korrekt, und unser moralisches Urteil steht auf einer sicheren Basis. Während der öffentlichen Debatte um die Reform haben die Bischöfe die moralische und intellektuelle Integrität des Glaubens intakt gehalten."



George räumte ein, dass er nicht für alle Amerikaner spreche, die sich als Katholiken fühlten. Das entspricht den Tatsachen. Die Catholic Health Association, der Verband katholischer Hospitäler und anderer Gesundheitseinrichtungen, hat ebenso wie einige katholische Frauenorganisationen Obamas Gesetzespaket unterstützt. Beim endgültigen Schnüren des Paketes hatte die Regierung im vergangenen Jahr einen Zusatz eingefügt, der öffentliche Mittel nur bei Abtreibungen als Folge von Inzest, Vergewaltigung und bei Lebensgefahr für die Mutter erlaubt. Den Bischöfen und anderen Abtreibungsgegnern geht diese Klausel nicht weit genug. Die Debatte wird weitergehen - nun mit einem telegenen Vorsitzenden und einem dezidiert konservativen Stellvertreter, der die bischöfliche Kommission für Ehefragen leitet.