Erzbischof Robert Zollitsch in Prag

"Die Wahrheit und die Liebe machen uns frei"

Aus Anlass des Briefwechsels zwischen der Tschechoslowakischen und der Deutschen Bischofskonferenz vor 20 Jahren besucht der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Zollitsch, Prag. Höhepunkt der Reise ist heute eine Feierstunde im Erzbischöflichen Palais.

Legendär: "Fingerhakeln" um Veitsdom (DR)
Legendär: "Fingerhakeln" um Veitsdom / ( DR )

Die Feierstunde auf Einladung des Vorsitzenden der Tschechischen Bischofskonferenz, Erzbischof Dominik Duka OP, und des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz wird in Zusammenarbeit mit der Ackermann-Gemeinde durchgeführt und steht unter dem Leitwort "Die Wahrheit und die Liebe machen uns frei". Zuvor feierten die beiden Erzbischöfe die Eucharistie in der Kapelle des Heiligen Wenzel im Veitsdom und beteten anschließend am Grab von Kardinal Tomášek.



Zwischen Deutschland und Polen hatten die Bischöfe bereits 1965 - 25 Jahre zuvor - die Aussöhnung formuliert. Jedoch stand die katholische Kirche in der aggressiv kirchenfeindlichen Tschechoslowakei unter weit stärkerem Druck; so hatten die meisten Diözesen über lange Jahre keine Bischöfe mehr. Nachdem Vaclav Havel Ende 1989 im Zuge der samtenen Revolution zum Präsidenten der Tschechoslowakei gewählt worden war, formulierte er - bis dahin undenkbar - eine Entschuldigung gegenüber den zumeist bis 1947 nach Deutschland Vertriebenen. Diesen Anstoß nahm der hoch betagte Kardinal Frantisek Tomasek auf - sein Wort "Die Wahrheit und die Liebe machen uns frei" prägte die weiteren Schritte.



Propaganda und Vorurteile

Tomasek sprach von Propaganda und Vorurteilen, die 40 Jahre auf beiden Seiten geherrscht hätten, erinnerte an die "grausame Unterdrückung" der Nazizeit, aber auch an den anhaltenden Schmerz der Vertriebenen, an "Missachtung und Tyrannisierung". Und wie die beiden folgenden offizielle Briefe der Bischofskonferenzen mahnte er die Christen zur Verantwortung, nach einer Geschichte des Hasses im zusammenwachsenden Europa zur Freundschaft über die Grenzen hinweg beizutragen.



Der Anstoß Tomaseks wirkte. Die katholischen Bischöfe der Bundesrepublik antworteten mit ihren Mitbrüdern aus der damals noch bestehenden DDR, die bei der Frühjahrsvollversammlung des Episkopats in Augsburg erstmals mit dabei waren, am 8. März dem "hochverehrten" Kardinal Tomasek und wendeten sich zugleich an alle Bischöfe im Nachbarland. Und sie würdigten die schon Jahrzehnte laufenden Bemühungen vieler Beteiligter, vor allem der sudetendeutschen Katholiken, um Aussöhnung. Dem folgte dann am 5. September 1990 die Erwiderung der Bischöfe aus der, wie es zwischenzeitlich hieß, "Tschechischen und Slowakischen Föderativen Republik".



Randaspekte der großen Politik

Im so turbulenten Jahr 1990, in dem so vieles in Deutschland und anderen Ländern Mitteleuropa sich veränderte, waren die Etappen der Bischöfe oft nur Randaspekte der großen Politik. Und doch kam es damit zu einer Klärung, die vielfach neue Kontakte ermöglichte. Dabei schmerzt auf Seiten der Vertriebenen viele noch immer eine offene Wunde: Nach wie vor nicht außer Kraft gesetzt sind die sogenannten Benes-Dekrete, die - benannt nach dem damaligen Staatspräsidenten Edvard Benes - Grundlage für Enteignung und Vertreibung von rund drei Millionen Sudetendeutsche waren.



Der Briefwechsel führte zu einem Aufbruch, zu Spendenbereitschaft, Partnerschaften und Aufbauprojekten. Und die Ackermann-Gemeinde registriert heute mit Dankbarkeit, dass Kommunen oder Bürger an den "Tatorten einstiger Verbrechen" der Vertreibungszeit Erinnerungstafeln aufstellen.



Am Donnerstag sprechen Zollitsch und Duka, neben anderen wird auch der tschechische Außenminister Karel Schwarzenberg reden.