CDU steht bei Parteitag vor Richtungsentscheidungen

PID, Wehrpflicht und mehr

Präimplantationsdiagnostik, Wehrpflicht und Familienpolitik - über zu wenig Gesprächsstoff können sich die CDU-Mitglieder beim 23. Parteitag nicht beschweren. Besonders wenn es um die PID-Debatte geht, fällt eine einheitliche Meinung schwer, das bestätigte die kirchenpolitische Sprecherin der Unionsfraktion im domradio.de-Interview.

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mit Christoph Scholz, kna
 (DR)

Die Christdemokraten streiten weiter über eine mögliche Zulassung von Gentests an Embryonen. Vor Beginn des CDU-Parteitages am Sonntagabend sprachen sich Bundesforschungsministerin Annette Schavan und Unions-Fraktionschef Volker Kauder klar für ein Verbot der Präimplantationsdiagnostik (PID) aus. Dagegen plädierte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen für eine begrenzte Zulassung.



Schavan: PID-Zulassung wird immer größere Weiterungen haben

"Ich bin überzeugt davon, dass sich der Mensch nicht selbst schafft und die Zulassung der PID immer größere Weiterungen haben wird", sagte Schavan dem "Kölner Stadt-Anzeiger". Auf dem CDU-Parteitag in Karlsruhe erwarte sie "eine sehr ernsthaft geführte Debatte" zu diesem Thema, erklärte die CDU-Politikerin.



"Diese Methode birgt große Gefahren in sich", sagte Unionsfraktionschef Kauder. Wer einmal die Tür zur Selektion von Embryonen öffne, "wird die Entwicklung kaum noch steuern können". Bundesarbeitsministerin von der Leyen erklärte dagegen: "Wenn ein sehnsüchtiger Kinderwunsch durch eine schwere erbliche Belastung überschattet wird, dann stärkt die PID das Ja zum Kind." Deshalb plädiere sie für eine Zulassung in klaren Grenzen, sagte sie der "Bild am Sonntag".



Konservative in der CDU fühlen sich vernachlässigt

Die CDU steht bei ihrem 23. Bundesparteitag im Umbruch, personell wie inhaltlich. Drei der vier stellvertretenden Parteivorsitzenden müssen neu gewählt werden. Und nicht nur der Embryonenschutz, sondern auch die Wehrpflicht steht zur Disposition. Der konservative Flügel der Partei fühlt sich vernachlässigt, viele Christen beklagen ein fehlendes Profil.



Außerdem schwelt der Richtungsstreit in der Partei. Er brach sich mit dem verstolperten Regierungsstart und dem koalitionsinternen Dauerkrach Bahn. Nach einem historisch schwachen Ergebnis bei der Bundestagswahl stehen die Christdemokraten weiter im Umfragetief. In der Parteizentrale konstatiert man allerdings nach den Regionalkonferenzen Licht am Ende des Tunnels. Der am Sonntagabend beginnende Parteitag in Karlsruhe wird zeigen, ob dies mehr als Zweckoptimismus ist.



Leitantrag "Verantwortung Zukunft"

Der Leitantrag "Verantwortung Zukunft" setzt angesichts des Vorwurfs, die Partei verfolge einen Kurs pragmatischer Modernisierung, stärker auf Profilierung. Die CDU strebe ein Land an, "das seinen Bürgern Heimat ist und in dem der Staat für Recht und Ordnung eintritt", heißt es gleich im zweiten Satz der Präambel.



Zwei Mal wird die Begriff "Leitkultur" beschworen - geprägt durch antike Philosophie, christlich-jüdische Tradition, Aufklärung und historische Erfahrung. Hier gehört der Islam noch nicht zu Deutschland.



Generationswechsel in der Stellvertreterrunde

Personell steht die Partei vor einem Generationswechsel. Nachdem die Kronprinzen Christian Wulff, Roland Koch und Jürgen Rüttgers auf-, um- oder ausgestiegen sind und ihre Parteiämter niederlegten, kandidiert nur Bundesbildungsministerin Annette Schavan erneut für den Stellvertreterposten hinter Angela Merkel. Die Wahl des hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier als Vertreter der Konservativen gilt als sicher. Ebenso jene von Bundessozialministerin Ursula von der Leyen als Modernisiererin. Zudem dürfte der neue nordrhein-westfälische CDU-Chef Norbert Röttgen aufrücken. Hermann Gröhe will Generalsekretär bleiben. Bei diesem Votum könnten Delegierte möglichen Unmut abladen.



Am Montag wird es um die Aussetzung der Wehrpflicht gehen. Die Union hat sich in erstaunlichem Tempo von der Wehrpflicht losgesagt, die über Jahrzehnte Dogma war. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will auf die Konsequenzen für den Zivildienst und ihr Konzept eines "Bundesfreiwilligendienstes" neben den bestehenden Freiwilligendiensten eingehen. Eine einheitliche Haltung der CDU steht noch aus. Die unionsgeführten Länder wollen Konkurrenz zu beistehenden Freiwilligendiensten vermeiden und verlangen finanziellen Ausgleich.



2,5 Millionen Minderjährige gelten in Deutschland als arm

Die meisten Änderungsanträge gibt es zum zweiten Leitantrag des Bundesvorstands "Faire Chancen - für jedes Kind!". Wie es in Parteikreisen hieß, geht er nicht zuletzt auf die Begegnung der Parteiführung um Merkel mit den Spitzenvertretern der katholischen und evangelischen Kirche zurück. In dem Antrag geht es auch um den Umgang mit den 2,5 Millionen Minderjährigen, die in Deutschland als arm gelten.



Zum Umbruch in der Partei gehört schließlich ein Antrag der CDU-Bundesvereinigungen wie Junge Union (JU) und Senioren Union, die mehr Mitsprache auf dem Parteitag einfordern. Die Volkspartei CDU steht zusehends in der Spannung zwischen den an Regionalinteressen ausgerichteten Landesverbänden und den für Gruppeninteressen stehenden Unterorganisationen.