Befreite Suu Kyi ruft zur nationalen Versöhnung auf

Birmas "Lady" ergreift das Wort

«Wenn wir unsere Stärke richtig nutzen, kann niemand sie brechen.» Einen Tag nach Ende ihres Hausarrests hat Birmas Oppositionsführerin vor 10.000 Menschen das Wort ergriffen. Aung San Suu Kyi rief ihre Landsleute zu Versöhnung und Dialog auf.

 (DR)

Beitrag zur nationalen Versöhnung

"Ich werde weiterhin alles in meiner Kraft stehende zur nationalen Versöhnung tun, und dazu brauche ich die Unterstützung unseres Volkes", so Suu Kyi bei ihrem ersten öffentlichen Auftritt.



10.000 Menschen waren am Sonntag zum Hauptquartier der Oppositionspartei NLD gekommen, um die erste öffentliche Rede von Aung San Suu Kyi zu hören. Die Militärjunta hatte die 65-Jährige am Vortag aus ihrem Hausarrest entlassen. Die Friedensnobelpreisträgerin stand in den zurückliegenden 20 Jahren insgesamt 15 Jahre unter Haft und Hausarrest.



Zusammenhalt des Volkes im Kampf um Demokratie

Suu Kyi beschwor in ihrer Rede den Zusammenhalt des Volkes im Kampf um Demokratie und Menschenrechte in Birma. "Wenn wir unsere Stärke richtig nutzen, kann niemand sie brechen", sagte die Vorsitzende der "Nationalen Liga für Demokratie" (NLD), ohne die herrschenden Militärs direkt anzusprechen. Es sei nicht mutig, physische Gewalt anzuwenden und laut zu schreien. Mut bedeute vielmehr, mit Beharrlichkeit für das einzutreten, woran man glaube.



Zu den massiven Betrugsvorwürfen bei den ersten Wahlen seit 20 Jahren in Birma am Sonntag vor einer Woche äußerte sich Suu Kyi ebenso wenig wie darüber, welche politische Rolle sie in ihrem Land in Zukunft spielen wolle. Ihre wegen des Boykotts der jüngsten Wahl offiziell von der Junta aufgelöste Partei wolle sie "reorganisieren" und zu einem "Netzwerk der Menschen" machen.



Menschenrechtsorganisationen fordern weitere Freilassungen

Westliche Regierungen und Menschenrechtsorganisationen begrüßten die Freilassung von Suu Kyi. Amnesty International (ai) forderte zugleich die Regierung von Birma auf, alle gewaltlosen politischen Gefangenen sofort und bedingungslos freizulassen.



Die Freilassung sei kein Entgegenkommen der Behörden oder der Regierung, betonte die Generalsekretärin der deutschen ai-Sektion, Monika Lüke. Suu Kyi habe ihre Strafe abgesessen, der Hausarrest sei das Ergebnis eines unfairen Prozesses gewesen. Die Behörden hätten weder sie noch andere politische Gefangene je verhaften und aus dem politischen Prozess ausschließen dürfen. Nach ai-Informationen sind in Birma mehr 2.200 Menschen wegen ihrer politischen Überzeugung inhaftiert.



Tausende Birmanen warteten auf die "Lady"  

Am späten Samstagnachmittag hatten die Behörden begonnen, die Barrikaden vor dem Haus der Suu Kyis zu entfernen. Dann waren Vertreter der Behörden vorgefahren, um der Oppositionsführerin ihre Freilassung offiziell mitzuteilen. Tausende Birmanen hatten seit dem frühen Nachmittag vor dem Haus und dem Parteiquartier auf die Freilassung der "Lady", wie Suu Kyi in Birma respektvoll genannt wird, gewartet.



Bei den ersten Wahlen seit 20 Jahren am Sonntag vor einer Woche gewann die Partei der Junta, die "Union für Solidarität und Entwicklung", nach offizieller Darstellung 80 Prozent der Parlamentssitze. Die Opposition wirft den Militärs allerdings massive Wahlfälschung vor. Die NLD als größte Oppositionspartei und ihre Chefin Suu Kyi hatten zum Boykott der Wahlen aufgerufen.



Rückblick auf die Wahl

Suu Kyi selbst hätte bei der Wahl nicht antreten können, weil das Wahlgesetz Häftlingen eine Kandidatur für politische Ämter verbietet. Teile ihrer Partei waren allerdings mit dem Verweigerungskurs nicht einverstanden und mit der neu gegründeten "National Democratic Force" zur Wahl angetreten.



Birma wird seit 1962 vom Militär regiert. Wegen anhaltender Menschenrechtsverletzungen bestehen seit 1996 EU-Sanktionen. Mitglieder der Führung dürfen seither nicht mehr in die EU einreisen. Die letzten freien Wahlen von 1990, in denen die von Suu Kyi geführte NLD hoch gewonnen hatte, waren von der Militärregierung für ungültig erklärt worden. Damit war eine Regierungsübernahme Suu Kyis verhindert worden; die Friedensnobelpreisträgerin von 1991 stand seitdem fast durchgängig unter Hausarrest.