In Pakistan wird die Situation für Helfer schwieriger

«Nur Gott gibt uns Essen»

Wenige Monate nach der schweren Flut fehlt in Pakistan Geld für ein langfristiges Wiederaufbauprogramm. Der Hilfsaufruf der Vereinten Nationen mit der Bitte um rund 1,4 Milliarden Euro fand nicht die erhoffte Resonanz. Noch immer leben Menschen in unwirtlichen Flüchtlingslagern in Südpakistan.

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

Kein Geld zur Rückkehr

"Wir haben kein Geld, um zurückzukehren", sagt Feroza Shah. Die 30-Jährige hat sich selbst eine Unterkunft aus Planen und Zweigen gebaut. Seit vier Monaten lebt sie und ihre Familie in einem Camp im pakistanischen Sukkur, einen Steinwurf von der Straße nach Jacobabad entfernt. Laster rollen Tag und Nacht vorbei.



Manche können einfach nicht weg, weil sie kein Geld für die Rückfahrt haben. Manche hoffen auf eine Entschädigung der Regierung, manche wollen in der Stadt bleiben. Und wieder andere kommen aus Gegenden, die nach wie vor überschwemmt sind.



Rund 1.700 Menschen kamen ums Leben

Ein ungewöhnlich heftiger Monsun-Regen hatte im Juli im Nordwesten Pakistans eingesetzt und ganze Landstriche überflutet. Die Wassermassen drangen immer weiter nach Süden vor, überschwemmten auf dem Weg zum Meer Ackerland und Dörfer. Das Hochwasser bedeckte eine Fläche von der Größe Englands. Es waren die schwersten Überschwemmungen in der Region seit fast 100 Jahren. Rund 1.700 Menschen kamen ums Leben, etwa 20 Millionen waren vom Hochwasser betroffen.



Die Provinzstadt Sukkur am westlichen Ufer des Indus-Flusses wurde von den Wassermassen verschont. Doch weil die Deiche und Dämme in der Umgebung brachen, rettete sich im August eine halbe Million Menschen in die Stadt, überall entstanden Camps und Notunterkünfte. Inzwischen sind viele Flüchtlinge wieder in ihre Heimat zurückgekehrt. Doch nicht alle.



"Nur Gott gibt uns Essen"

Im Camp von Feroza leben noch um die 400 Familien. Die Versorgung hat weitgehend aufgehört. "Nur Gott gibt uns Essen", sagt Bauer Abdullah Suban. Die meisten von ihnen, so erzählt er, schlügen sich auf dem Gemüsemarkt als Tagelöhner durch.



"Die Flüchtlinge sind weg", sagt Inamullah Khan Dharejo, der Leiter des Distrikts. Nur zwei bis drei Prozent, so schätzt er, seien noch im Ort geblieben. Die Leute wüssten selbst am besten, wann sie zurückkehren könnten. Die allgemeine Reaktion der Regierung sei solide, auch wenn es einige Probleme gebe. Die staatliche Entschädigung werde für sechs bis acht Monate reichen, es werde Essen und Zelte für die Rückkehrer geben.



Streit um Entschädigungen

In dem Lager an der Autostraße sehen das manche anders. Viele warten immer noch auf das versprochene Geld der Regierung, die jeder Familie rund 350 Euro zugesagt hat. "Es gibt einen Streit darum, wo die Entschädigung beantragt werden muss", sagt Sallamullah, ein junger Mann, Mitte 20. Man habe ihnen gesagt, die Fluthilfe der Regierung gebe es nur, wenn sie zurückkehrten. Doch einige hätten das Geld weder in Sukkur noch in ihrem Ort erhalten.



Auch Feroza Shah und die meisten anderen im Camp warten noch auf Hilfe. "Sie sagen uns, wir können euch nichts geben", sagt Feroza. "Wir haben bei den letzten Wahlen für die falschen Leute gestimmt, deshalb bekommen wir nichts", vermutet sie.



Arbeit für Hilfswerke wird komplexer

Rund 100 Tage nach Beginn der Katastrophe ist die Lage in den betroffenen Gebieten komplizierter geworden als in der Zeit der akuten Krise. Die Hilfswerke und die Regierung müssen sich weiter um die Flüchtlinge kümmern, die immer noch in den Notcamps leben.



Doch auch die vielen Menschen, die in ihre Dörfer und Siedlungen zurückgekehrt sind, brauchen Unterstützung: "Manche Flüchtlinge sind noch in den Lagern, manche sind zurückgekehrt, manche haben noch Schwierigkeiten, zurückzugehen", sagt Fawad Hussein vom UN-Büro zur Koordination humanitärer Hilfe in Pakistan. "Die Situation ist komplexer geworden."



7,3 Millionen Menschen sind auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen

Im Moment seien immer noch 7,3 Millionen Menschen auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen. Die Zurückgekehrten seien oft am schwersten zu versorgen: "Es gibt ein großes logistisches Problem." Wo das Wasser noch nicht abfloss, errichteten die Einwohner auf höher gelegenen Stellen Lager. Wegen der großen Wasserflächen drohen dort aber auch Krankheiten wie Dengue und Malaria.



Unterdessen versiegt die Hilfe. Es fehlt an Geld für ein langfristiges Wiederaufbauprogramm, wie Pakistan es nun braucht. Der Hilfsaufruf der Vereinten Nationen mit der Bitte um 1,9 Milliarden US-Dollar (1,4 Milliarden Euro) fand nicht die erhoffte Resonanz. Die bisherigen Zusagen umfassen nur 40 Prozent der Summe. Falls es nicht mehr Unterstützung gebe, "müssen wir hier zusammenpacken", warnt Hussein.