Andauernde Gewalt gegen Christen im Irak

"Man will uns vertreiben und man ist erfolgreich"

Die jüngste Serie von Anschlägen auf Christen in Bagdad stößt auf weltweite Empörung. Die Opposition im Bundestag hat die Regierung aufgerufen, auf einen verstärkten Schutz verfolgter Christen zu drängen, und der Bischof von Bagdad wirft der irakischen Regierung Versagen vor.

 (DR)

"Die Bundesregierung muss dringend auf den irakischen Premier Nuri Al-Maliki einwirken, sich für den Schutz verfolgter Minderheiten, insbesondere der Christen einzusetzen", sagte der kirchenpolitische Sprecher der Grünen, Josef Winkler. Er forderte die Bundesregierung zudem auf, erneut eine größere Anzahl von Angehörigen verfolgter Minderheiten, insbesondere Christen, als Flüchtlinge aufzunehmen und es nicht bei der einmaligen Aufnahme von Flüchtlingen im letzten Jahr zu belassen. Die EU-Innenminister hatten im November 2008 beschlossen, bis zu 10.000 irakische Flüchtlinge aus Syrien und Jordanien aufzunehmen. Deutschland hatte dabei die Bereitschaft zur Aufnahme von 2.500 Flüchtlingen erklärt.



Auch der Essener Weihbischof Franz Vorrath hat den jüngsten Terroranschlag scharf verurteilt. Der Angriff auf die Wohnhäuser von Christen in Bagdad am Mittwochmorgen sei eine "abscheuliche Tat" gewesen, erklärte Vorrath am Mittwoch in Essen. In einem Brief an die in Essen beheimatete Chaldäisch-Katholische Gemeinde bekundete der Theologe sein Mitgefühl und seine Verbundenheit mit den Christen im Irak. Das Bistum Essen nehme in besonderer Weise Anteil am Schicksal der Schwestern und Brüder, denen das Existenzrecht im Irak von islamischen Terroristen streitig gemacht werde, betonte Vorrath. Der Weihbischof rief die deutschen Kirchen dazu auf, für den Frieden und ein Ende der Gewalt insbesondere gegen die Christen im Irak zu beten.



Irakischer Bischof beklagt Gewalt gegen Christen

Der syrisch-katholische Erzbischof von Bagdad, Atanase Matti Shaba Matoka, hat der Regierung seines Landes nach den jüngsten Attentaten gegen Christen in Bagdad Untätigkeit vorgeworfen. "Trotz aller Versprechen tut die Regierung nichts, um die Gewaltwelle zu bremsen", sagte er nach Angaben des Senders Radio Vatikan. "Man will uns vertreiben und man ist dabei erfolgreich. Was können wir tun, was sollen wir sagen? In unsere Gemeinde herrscht tiefe Bestürzung. Die Welle der Gewalt wird immer größer. Vor zehn Tagen wurde ein Attentat auf unsere Kathedrale verübt. Heute sind unsere Wohnungen Zielscheibe. Familien trauern und wollen fliehen. Es ist schrecklich!" Der Erzbischof forderte angesichts der jüngsten Attentatsserie zudem die internationale Gemeinschaft auf, für mehr Sicherheit zu sorgen. Abschließend appelliert der Erzbischof an die internationale Staatengemeinschaft und die Weltkirche: "Wir bitten um ein rasches Eingreifen der internationalen Staatengemeinschaft und erhoffen uns Hilfe vom Heiligen Vater und von der Weltkirche. Heute bleibt uns nichts anderes als zu hoffen und zu beten und unser Leben in die Hände Gottes zu legen



Der Weltkirchenrat in Genf verurteilte die Angriffe als "kriminelle Akte des Terrors". Die Täter müssten zur Rechenschaft gezogen werden, betonte der Ökumenische Rat der Kirchen. Auch die kirchenpolitische Sprecher von Union und FDP, Maria Flachsbarth und Stefan Ruppert, sprachen von einer "grausamen und menschenverachtenden" Tat und zeigten sich besorgt über eine weltweit zunehmende Christenverfolgung. Das Eintreten für den Schutz verfolgter Christen gewinne auch in der deutschen Außenpolitik weiter an Bedeutung, sagte Ruppert. Wenn die Lage im Irak weiter eskaliere, müsse über eine erneute Aufnahme von irakischen Flüchtlingen in Deutschland nachgedacht werden.



Bei einer Anschlagsserie auf Häuser von Christen in der irakischen Hauptstadt Bagdad waren am Mittwoch mindestens drei Menschen getötet und Dutzende verletzt worden. Wie die Polizei mitteilte, explodierten am Mittwochmorgen innerhalb weniger Minuten mehrere Sprengsätze in überwiegend von der christlichen Minderheit bewohnten Bezirken der irakischen Hauptstadt. Bereits am Dienstagabend waren in Bagdad auf drei Häuser im Besitz von Christen Bombenanschläge verübt worden, dabei war jedoch niemand verletzt worden. Bereits vor einer Woche wurden bei der Geiselaktion in einer chaldäisch-katholischen Kirche im Bagdader Stadtteil Karrada mehr als 50 Menschen getötet, darunter vor allem Gottesdienstbesucher. Zu der Geiselnahme bekannte sich eine irakischer Ableger des islamistischen Netzwerks Al-Kaida, das weitere Angriffe auf Christen im Irak ankündigte.



Durch die zahlreichen Anschläge auf Kirchen und kirchliche Einrichtungen in den vergangenen Monaten hat sich die Situation für die Christen im Irak verschärft. Die Zahl der Christen im Irak halbierte sich in den vergangenen zehn Jahren von 1,2 Millionen auf 600.000, das sind etwa 1,6 Prozent der Bevölkerung. Christliche Vertreter im Land fordern eine autonome Region für die Christen als Konsequenz der zunehmenden Gewalt von Terroristen.