Katholiken-Präsident Glück zum Dialogprozess in der Kirche

«Wir wollen Türen öffnen»

«Wir stehen an einer Weggabelung», das sagt Alois Glück. Für den Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken ist der geplante bundesweite Dialogprozess der katholischen Kirche von großer Tragweite. Das bevorstehende Treffen mit den Bischöfen könnte für diesen Prozess den Startschuss geben.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

KNA: Herr Glück, am Donnerstag und Freitag treffen sich Vertreter von ZdK und Bischofskonferenz, um über die Situation der Kirche nach dem Missbrauchsskandal zu beraten. Was erhoffen Sie sich von dem Treffen?

Glück: Es geht darum, den Startschuss für einen bundesweiten Gesprächsprozess zu geben. Wir wollen eine Bestandsaufnahme zum Zustand der Kirche in Deutschland machen und zugleich überlegen, in welcher Form der Dialog stattfinden kann. Keiner kann heute sagen, wie sich dieser Prozess entwickeln wird und welche Ergebnisse zu erwarten sind. Wir wollen Türen öffnen. Wir müssen für einen Lernprozess offen sein. Inhaltliche Ergebnisse sind bis Freitag aber noch nicht zu erwarten.



KNA: Wie wichtig ist ein Erfolg des Dialogprozesses?

Glück: Ich glaube, wir stehen an einer Weggabelung. Wohl noch nie waren so viele Menschen religiös auf der Suche, aber sie suchen die Antworten nicht bei den christlichen Kirchen. Nicht erst der Missbrauchsskandal hat zu einer tiefen Vertrauenskrise geführt. Viele Katholiken haben resigniert und wenden sich ab. Andererseits haben viele Menschen nach dem Missbrauchsskandal betont, wie wichtig es ihnen ist, dass die Kirche intakt bleibt. Daran müssen wir anknüpfen.



KNA: Der Zug ist also noch nicht abgefahren?

Glück: Noch nicht. Aber wenn wir es jetzt nicht schaffen, die Krise zu einem neuen Aufbruch zu nutzen, wenn wir jetzt die aufgebrochenen Fragen und Erwartungen wieder zuschütten, wird der Auszug aus der Kirche umso stärker weiter gehen.



KNA: Mit welchem Ziel gehen Sie in die Konferenz?

Glück: Es geht darum, wie wir die Botschaft des Evangeliums den Menschen in der heutigen Zeit und in den heutigen Lebenswelten vermitteln können. Aus dieser Perspektive müssen wir fragen, was diesem Ziel förderlich ist und was nicht. Strukturen und Ämter in der Kirche sind ja kein Selbstzweck, sondern müssen dem Ziel dienen, den Glauben lebendig zu halten. Der Erfurter Bischof Wanke hat das Leitbild einer den Menschen dienenden Kirche formuliert. Das ist eine wichtige Orientierung.



KNA: Wer Strukturen und Ämter in Frage stellt, muss mit Konflikten rechnen...

Glück: Das ist nicht neu. Konflikte begleiten unsere Kirche seit dem Apostelkonzil, also von Anfang an. Eine der Grundfragen ist deshalb, wie wir zu einer guten Gesprächskultur kommen, wie weit wir frei von Angst offen und kontrovers diskutieren können. Eine zweite Grundfrage ist, ob wir die Vielfalt der Glaubenswege, der Frömmigkeit und der Gemeinschaften bejahen. Die Lebenswelten und die Erfahrungen der Menschen sind so vielfältig geworden, die Milieus lösen sich immer mehr auf. Kardinal Ratzinger hat einmal gesagt, es gebe so viele Wege zu Gott wie es Menschen gibt. Das bedeutet, dass nicht eine geistliche Strömung die alleinige Geltung beanspruchen kann. Und das heißt auch, dass eine Erneuerung der Kirche nicht zentral von oben gesteuert werden kann. Gleichzeitig ist wichtig die notwendige Einheit der Kirche zu wahren.



KNA: Wie muss aus dieser Perspektive der Dialogprozess gestaltet werden?

Glück: Es muss eine Vielfalt von Prozessen in Orden, Verbänden, Gemeinden und Diözesen geben. Aber die Ergebnisse müssen auch auf Bundesebene gebündelt und bedacht werden. Wichtig ist, dass Bischöfe und Laien einen gemeinsamen Weg finden. Wir suchen diese Zusammenarbeit, wir sind keine Oppositionsgruppe. Als Gemeinschaft der Laien müssen wir aufgreifen, was die interessierten Menschen bewegt, wir wollen aber integrierend wirken.



KNA: Themen wie der Pflichtzölibat, die Rolle der Frauen in der Kirche oder die Sexuallehre der Kirche stehen von Seite der Laien schon seit Jahrzehnten auf der Tagesordnung. Woher nehmen Sie die Hoffnung, dass sich da etwas bewegen kann?

Glück: Ich habe den Eindruck, dass der Schock des Missbrauchsskandals zu einer neuen Offenheit führt. Bestimmte Themen lassen sich einfach nicht mehr tabuisieren. Wir müssen natürlich schauen, was wir auf Ebene der Kirche in Deutschland überhaupt entscheiden können. Ein Blick in die Weltkirche zeigt aber auch, das es in der seelsorgerlichen Praxis offensichtlich auch Gestaltungsräume gibt, beispielsweise beim Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen, der Teilnahme von konfessionsverschiedenen Eheleuten an der Eucharistie und der Mitarbeit von Laien bei der Gemeindeleitung.



KNA: Auch beim Thema Sexualethik?

Glück: Das gehört zu den wichtigen Beratungsthemen im Gesprächsprozess.



KNA: Glauben Sie, dass Rom der Kirche in Deutschland genug Spielraum für Reformanstrengungen lassen wird?

Glück: Ich bin da ganz zuversichtlich. Denn es handelt sich ja nicht nur um deutsche Probleme. Papst Benedikt XVI. hat beim Besuch einer Pfarrei in Rom betont, dass die Laien nicht nur Mitarbeiter sondern Mitverantwortliche sein sollen.