Brasilien bekommt wohl seine erste Präsidentin

Von da Silvas Gnaden

Glaubt man den jüngsten Umfragen, wird Südamerikas größtes Land in den nächsten vier Jahren erstmals von einer Frau regiert. Die Regierungskandidatin Dilma Rousseff von Präsident Lula da Silvas Arbeiterpartei PT scheint am Sonntag in einer Stichwahl das Rennen zu machen.

Autor/in:
Thomas Milz
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff (KNA)
Brasiliens Präsidentin Dilma Rousseff / ( KNA )

Im ersten Wahlgang am 3. Oktober hatte Rousseff mit 47 Prozent noch knapp die absolute Mehrheit verfehlt - trotz massiver Unterstützung des beliebten Lula. Der Grund war vor allem das unerwartet starke Abschneiden der Grünen-Kandidatin Marina Silva, die sich wie Rousseff zum ersten Mal um das Amt bewarb und auf Anhieb gut 20 Prozent erreichte.



Rousseff schien angeschlagen. Erst vor etwas mehr als einem Jahr hatte sich Lulas ehemalige Kanzleichefin von einem schweren Krebsleiden erholt, jetzt war ihr nach Monaten harten Wahlkampfes die Erschöpfung anzusehen. Hinzu kam, dass ihr Gegenkandidat Serra in ersten Umfragen für die Stichwahl stetig aufholte und auch noch das Gerücht die Runde machte, dass Marina Silva sich offiziell auf die Seite Serras stellen würde. Bei der PT schrillten die Alarmglocken. Eiligst wurde die Parteibasis aufgerufen, im ganzen Land massiv Präsenz auf den Straßen zu zeigen und für Rousseff zu werben.



Unterstützung der Pfingstkirchen

Besonders aktiv unterstützten einige der größten Pfingstkirchen ihre Kandidatur. Hatten vor dem ersten Wahlgang noch von der Opposition gestreute Gerüchte um eine aufgeschlossene Abtreibungsposition Rousseffs für Unruhe unter den evangelikalen Gruppen gesorgt, bereisten deren Führer nun Brasilien, um für die Kandidatin zu werben. Diese hatte unterdessen klargestellt, an den bestehenden Abtreibungsgesetzen nicht rütteln zu wollen, die einen Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmen erlauben: Bei Vergewaltigung oder Gefahr für das Leben der Mutter.



Mit dieser Aussage richtete sich Rousseff natürlich auch an die katholische Kirche des Landes. Einige Bischöfe aus dem Bundesland Sao Paulo, Jose Serras Stammland, hatten Flugblätter verteilt, die zum Boykott Rousseffs aufgrund ihrer vermeintlich unklaren Position zur Abtreibung aufriefen. Brasiliens Bischofskonferenz beeilte sich klarzustellen, dass die Aktion Einzelner gegen das Neutralitätsgebot der katholischen Kirche verstoße. Und auch die Kandidatin ging mit ihrem Bekenntnis zu den bestehenden Gesetzen auf die Katholiken zu. Damit gelang es ihr, die religiösen Wogen etwas zu glätten.



Wenige Tage vor der Wahl hat sich auch Papst Benedikt XVI. am Donnerstag zu Wort gemeldet und die brasilianische Bischöfe in ihrer Kampagne gegen Rousseff unterstützt. Die Bischöfe täten ihre Pflicht, die Kräfte zu wecken, die für den Aufbau einer gerechten Gesellschaft nötig seien, sagte der Papst bei einer Audienz für brasilianische Bischöfe. Niemand könne für Menschenrechte kämpfen, der sich nicht für das Recht auf Leben von der Empfängnis bis zu seinem natürlichen Ende einsetze. Benedikt fügte hinzu, wenn Politiker planten, Abtreibung oder Sterbehilfe zu "entkriminalisieren", werde das demokratische Ideal in seinen Grundfesten erschüttert. Der Bischof von Guarulhos bei Sao Paolo, Luis Gonzaga Bergonzini, sagte, der sozialdemokratische Gegenkandidat José Serra sei trotz seiner Befürwortung von Kondomen "das kleinere Übel".



Zeichen auf Erfolg

Aber da auch Silva und ihre Grünen-Partei sich letztendlich neutral erklärten, stehen die Zeichen für Rousseff nun auf Erfolg. Nach den jüngsten Umfragen liegt sie nun mit gut 56 Prozent deutlich vor Serra. Am Sonntag dürfte sich also eine Mehrheit der 136 Millionen Wahlberechtigten hinter der Tochter eines bulgarischen Einwanderers und dessen brasilianischer Frau stellen. Eine von Lula gestützte Blitzkarriere: 2001 trat sie in die PT ein, 2003 wurde sie Ministerin, 2005 Kanzleramtschefin.



Einen Wahlkampf hatte sie zuvor noch nie bestritten, und ihr erster wird sie wohl gleich an die Spitze des Staates katapultieren. Während die einen vermuten, dass sie dort nur als Marionette Lulas regieren werde, fürchten andere, dass die als starrköpfig und aufbrausend geltende Rousseff zu eigenständig handeln könnte. Die meisten Brasilianer vertrauen aber darauf, dass Lula mit dem richtigen Gespür seine Nachfolgerin ausgewählt hat. Und der hat bereits öffentlich erklärt, dass Frauen die besseren Männer seien.