EU-Ausfuhren machen afrikanischen Bauern Konkurrenz

Milch sorgt für Ärger

Weltweit wächst der Appetit auf Milch und Milchprodukte - auch in Entwicklungsländern. In vielen afrikanischen Ländern ist die Milchwirtschaft jedoch im Gegensatz zu den europäischen Ländern selten. Doch Entwicklungsorganisationen warnen vor Exporten: Die Abhängigkeit von Billig-Importen könnte sich für Afrika langfristig als fatal erweisen.

Autor/in:
Marc Patzwald
 (DR)

Zur Verbesserung der Ernährungssicherheit in afrikanischen Ländern fordert der Evangelische Entwicklungsdienst (EED) den Aufbau einer heimischen Milchproduktion. Eine oder zwei Kühe könnten zudem Bäuerinnen in ihren Dörfern helfen, ein zusätzliches Einkommen zu erzielen. Doch das ist schwer gegen die EU-Konkurrenz: Mit ihren Milchpulverimporten unterbiete die EU die Bauern in Ländern wie Kamerun, sagt EED-Landwirtschaftsreferent Stig Tanzmann.



Milchpulverexporte in der Kritik

Auch nach dem Auslaufen der vorübergehenden EU-Exportförderung für Milch Ende 2009 werde Milchpulver weiter indirekt über die Beihilfen für Bauern subventioniert, kritisiert Tanzmann. Damit liege das Billigprodukt unter den Preisen, die afrikanische Kleinbauern mit zwei bis drei Milchkühen verlangen müssen, um auf ihre Kosten zu kommen.



Die Europäische Union exportierte 2009 rund 340.000 Tonnen Milchpulver nach Afrika, etwa drei Prozent mehr als im Vorjahr. Da Pulver am leichtesten zu transportieren und bei Hitze zu lagern ist, ist es beliebt. Nur Kenia ist laut Tanzmann eines der wenigen Länder Afrikas, das sich selbst mit Milch versorgen kann. Dort seien die Milchviehhalter auch nah bei den Siedlungen und verfügten über die erforderliche Infrastruktur.



Zölle zur Preisregulierung

Viele andere afrikanische Länder wurden laut Tanzmann in den 80er Jahren von Milchpulverimporten abhängig und haben nicht mehr in die eigene Produktion investiert. Um das nachholen zu können, müssten sie sich gegen Billigimporte wehren. Dem stimmt Romuald Schaber, der Chef des Bundes der deutschen Milchviehhalter, zu. Alle Länder müssten Zölle erheben dürfen, um die Preise zu regulieren, erklärt er.



Der Agrarökonom Harald Grethe von der Universität Stuttgart-Hohenheim hält ein kurzzeitiges Eingreifen in den Markt unter bestimmten Bedingungen für gerechtfertigt: "In Phasen, in denen der Weltmarktpreis niedrig ist, kann man Ausgleichszölle für Entwicklungsländer ermöglichen." Allerdings dürfe der Schutz der Milchbranche weder missbraucht werden noch langfristig erfolgen.



Eine Abschottung der Industrieländer dürfe es auf keinen Fall geben. Wer ein Jahr sehr gut wirtschafte, müsse sich etwas zurücklegen für schlechtere Jahre, sagt Grethe. "Das kann man den europäischen Bauern zumuten."



EU-Quotenregelung endet bald

Der Milchbauernsprecher Schaber fordert, dass die Erzeuger ihre Produktion begrenzen dürfen sollten, um Überschüsse zu vermeiden, wenn die Quotenregelung in ein paar Jahren endet. "Bei uns sollten kostendeckende Preise umgesetzt werden können, dann ist schon ein Teil des Dumpings in den Entwicklungsländern weg."



Damit die europäischen Bauern mindestens 40 Cent pro Liter bekommen, schlägt Schaber eine sogenannte europäische Monitoringstelle vor, die regelmäßig die Kosten der Produktion ermitteln soll. Verarbeiter, Verbrauchervertreter und Politiker könnten dort gemeinsam "vernünftige" Maßnahmen beschließen.



Forderung: Staatlicher Einfluss auf Strukturen

Agrarökonom Grethe kontert, dass Marktwirtschaft so nicht funktioniere. "Die Idee des staatlich regulierten kostendeckenden Preises für jeden einzelnen Produzenten halte ich nicht für praktikabel und unterstützenswert", sagt Grethe. Anstelle einer Regulierung des Milchpreises sollte der Staat lieber über die Umwelt- und die Sozialpolitik Einfluss auf Strukturen nehmen.