Debatte um Gentests an Embryonen nimmt an Fahrt auf

Verbot oder Genehmigung

Die Debatte um Gentests an menschlichen Embryonen nimmt an Fahrt auf. Dabei ist ein von der Kirche gefordertes Verbot der sogenannten Präimplantationsdiagnostik (PID) auch innerhalb der Parteien umstritten. Lauter wird die Forderung nach einem Moratorium: Danach sollte die PID so lange verboten werden, bis ein Fortpflanzungsmedizingesetz verabschiedet ist.

 (DR)

Ausgelöst hatte die Debatte ein Urteil des Bundesgerichtshofs vom Juli. Die Richter hatten überraschend festgestellt, dass die PID nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt und damit straffrei bleibt. Zuvor herrschte weithin die Rechtsmeinung vor, dass das Gesetz die PID klar verbiete. Bei PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Gendefekte untersucht und im Fall von Schäden vernichtet. Die katholische Kirche, Behindertenverbände und Lebensschutzgruppen lehnen jegliche Anwendung der PID ab. Sie befürchten, dass es dadurch zu einer Selektion und Tötung von Embryonen kommt und die Tür zu Designer-Babies geöffnet wird.



Forderung nach einem Verbot der PID kamen am Dienstag vor allem aus der Union. Der Vorsitzende der Jungen Union, Philipp Mißfelder, forderte im "Kölner Stadt-Anzeiger" entsprechende Verhandlungen mit der FDP. Wenn es eine reine Gewissensabstimmung im Bundestag gebe, "befürchte ich, dass das PID-Verbot fällt", sagte er. Auch die rheinland-pfälzische CDU-Landeschefin Julia Klöckner sprach sich gegen die Selektion von künstlich befruchteten Embryonen aus.

"Wenn wir diese Tür aufmachen, werden wir sie nicht mehr zubekommen", sagte sie der "Leipziger Volkszeitung". In der "Tagespost" erläuterte sie, auch das Grundsatzprogramm der CDU sage Nein zur PID. "Meine große Sorge ist, dass die Erlaubnis der PID zu einer TÜV-Gesellschaft führt, die ungeborenen Kindern nur dann die Einpflanzung in die Gebärmutter und damit die Geburt gestattet, wenn sie einen Test bestehen."



Ein Verbot forderte die frühere grüne Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer. "Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass - einmal zugelassen - die Anwendungsbereiche der PID immer weiter ausgeweitet werden", meinte sie am Montagabend in Berlin. Zugleich forderte die ehemalige Grünen-Politikerin ein Fortpflanzungsmedizingesetz. Dies solle zu juristischer Klarheit führen. Auch der Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Edzard Schmidt-Jortzig (FDP), forderte eine klare gesetzliche Regelung. Andernfalls sehe er die Gefahr eines ungehemmten Einstiegs in die genetische Untersuchung von Embryonen, sagte der frühere Bundesjustizminister im Deutschlandradio Kultur.



Gegen ein Verbot der PID wandte sich Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP). In der "Passauer Neuen Presse" bekräftigte sie, ihre Partei wolle die PID "in einem engem Rahmen" zulassen. Dabei wird sie vom Molekularbiologen und DDR-Bürgerrechtler Jens Reich unterstützt. Diesen intimen Bereich könne der Staat nicht regeln, sagte er in Berlin. "Diese Frage ist eine Gewissenentscheidung der Eltern."



Ethikrat fordert klare Regelung

Der Deutsche Ethikrat hat eine klare gesetzliche Regelung zu Gentests an Embryonen angemahnt. Andernfalls sei die Gefahr groß, dass man in Deutschland ungehemmt in die Präimplantationsdiagnostik (PID) einsteige, sagte der Vorsitzende Edzard Schmidt-Jortzig am Dienstag. Die frühere grüne Bundesgesundheitsministerin Andrea Fischer hat sich entschieden für ein auch von der Kirche gefordertes generelles Verbot ausgesprochen.



Schmidt-Jortzig sagte, der Bundesgerichtshof habe zwar erklärt, dass die PID im geltenden Recht bei schwerwiegenden Erbkrankheiten nicht strafbar sei. Doch sei offen, ob dies verbindlich sei und was genau eine schwerwiegende Krankheit sei. "Da ist es die vornehmste Aufgabe des Gesetzgebers, an so einer schwierigen und empfindlichen Stelle wirklich eine klare Regelung zu treffen", sagte der ehemalige Justizminister und FDP-Politiker. Das gesamte Feld der sogenannten Reproduktionsmedizin sei in Deutschland nahezu ungeregelt. Das Embryonenschutzgesetz sei bereits 20 Jahre alt. In dieser Zeit habe sich die Medizin rapide fortentwickelt. Das Gesetz sei mindestens lückenhaft, wenn nicht unklar, sagte der frühere FDP-Politiker und Bundesjustizminister Schmidt-Jortzig. Zum Thema PID habe der Ethikrat eine Arbeitsgruppe gebildet, die bis Sommer 2011 eine Stellungnahme abgeben solle.



Auch der Molekularbiologe Jens Reich, ebenfalls Mitglied des Deutschen Ethikrates, äußerte Zweifel an der Regelbarkeit der PID. In diesem Punkt stimme er der Bundeskanzlerin zu. Die Erstellung eines Katalogs, der bestimmte Krankheiten für selektionswürdig ansieht, werde nicht funktionieren, so Reich. Zu unterschiedlich seien Krankheitsverläufe und deren Vorhersehbarkeit. Reich trat aber im Gegensatz zu Merkel für eine Zulassung der PID ein. Diesen intimen Bereich könne der Staat nicht regeln, sagte er. "Diese Frage ist eine Gewissenentscheidung der Eltern."