RTL II will Arbeitgeber künftig über Verdacht berichten

Tatort Internet

RTL II zieht Konsequenzen aus dem Fall eines mittlerweile entlassenen Leiters eines katholischen Kinderdorfs in Würzburg. Der Privatsender will Arbeitgeber und Institutionen künftig benachrichtigen, wenn Mitarbeiter, die "in ihren Arbeitsverhältnissen mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben", über die Sendung "Tatort Internet" bei eindeutigen Chats mit Minderjährigen erwischt werden.

 (DR)

Die Strafverfolgungsbehörden erhielten zudem vier Tage vor der jeweiligen Ausstrahlung Sendungskopien; so könnten sie über eine eventuelle Ermittlung entscheiden. Damit reagiert der Sender auf die Kritik der Caritas, bei der der Trägerverein des Kinderdorfs Mitglied ist. Deren Würzburger Diözesanvorsitzender Clemens Bieber hatte das Verhalten des Senders als unverantwortlich bezeichnet, die Vorgesetzten nicht zu informieren. Das Treffen des Leiters mit einer vermeintlich 13-Jährigen war im Mai am Rande des Ökumenischen Kirchentags gefilmt worden. Nach der Ausstrahlung am vergangenen Montag hatten Mitarbeiter anderer Kinderdörfer den 61-Jährigen auf dem zehnminütigen Video identifizieren können, obwohl er gepixelt war und seine Stimme verzerrt wurde.



Bieber forderte deshalb die Absetzung des Formats. Er sei überzeugt, dass die Sendung nicht dazu diene, "Täter zur Strecke zu bringen und Kinder zu schützen", sagte er mit Blick auf den Fall des Kinderdorfleiters. Der Sender hatte sein Schweigen gegenüber dem Verein bisher damit begründet, dass eine Information des Arbeitgebers die Persönlichkeitsrechte des Mannes verletzt hätte.



Persönlichkeitsrecht des Betroffenen berührt

Dieser Haltung widersprach der Würzburger Strafrechtsprofessor und Missbrauchsbeauftragte des Bistums, Klaus Laubenthal. "Wenn ich Prävention betreiben will, warte ich nicht vier oder fünf Monate mit so einer Kenntnis", sagte er. Das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen sei schon dadurch berührt gewesen, dass er in einer Art und Weise dargestellt worden sei, "dass man ihn erkennen konnte".



Der Sender hätte eine Güterabwägung zwischen dem Schutz von Kindern und den Persönlichkeitsrechten des Mannes vornehmen müssen.

Unterdessen ermittelt die Staatsanwaltschaft Würzburg gegen den Mann wegen des Verdachts des sexuellen Missbrauchs von Kindern. Grundlage dafür sei eine Mitteilung der Caritas gewesen, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Dietrich Geuder am Montag. Der Sender selbst habe die Behörden in Würzburg nicht unterrichtet.



Mann gilt als vermisst

Der Mann gilt seit Freitag als vermisst. Am Donnerstag hatte der Trägerverein von dem Video erfahren und ihn umgehend damit konfrontiert. Dabei räumte dieser ein, dass er die gefilmte Person sei. Daraufhin sei er seines Amtes entbunden worden, habe Hausverbot erhalten, sein Arbeitsverhältnis werde aufgelöst, hieß es in einer Mitteilung des Vereins. Zugleich wurde dem 61-Jährigen psychologische Hilfe angeboten.



Außerdem informierten die Verantwortlichen die Heimaufsicht und leiteten eine strafrechtliche Überprüfung ein. Eine unabhängige Untersuchung soll klären, ob es in der Einrichtung zu Übergriffen kam. Bisher gebe es jedoch keine Verdachtsmomente. Der Trägerverein des Kinderdorfs ist Mitglied im Caritasverband. Die Sendung "Tatort Internet" wird unter anderem von Stephanie zu Guttenberg, Ehefrau des Bundesverteidigungsministers, unterstützt.