Bundespräsident Christian Wulff reist heute in die Türkei

Reise unter besonderem Stern

Nach seinem Russlandbesuch ist es für Christian Wulff gleich die nächste große Auslandsreise: In der Türkei wird der Bundespräsident unter besonderer Beobachtung stehen. Der Kölner Erzbischof, Joachim Kardinal Meisner, wünscht sich ein Bekenntnis wie das Wulffs von dessen türkischem Amtskollegen zum Christentum. Denn: Christen sind weiterhin benachteiligt.

Autor/in:
Michael Borgers
 (DR)

Protestantische Christen in der Türkei haben trotz der gesetzlichen Verbesserungen der vergangenen Jahre im Alltag nach wie vor mit großen Problemen zu kämpfen. Das geht aus einem Bericht hervor, den die Vereinigung protestantischer Kirchen in der Türkei in der Woche vor dem Wulff-besuch vorlegte. Türkische Protestanten können demnach de facto weiterhin keine Kirchen einrichten, bekommen aber Schwierigkeiten, wenn sie sich in Privathäusern zum Gottesdienst versammeln.



Die Zahl der Protestanten in der Türkei liegt dem Kirchenbericht zufolge bei 3.000 bis 3.500 Personen - das entspricht 0,005 Prozent der türkischen Bevölkerung. Obwohl die Gesetzgebung von der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan vor vier Jahren geändert wurde, um die Einrichtung von Kirchen zu ermöglichen, werde dies in der Praxis von örtlichen Behörden blockiert, beklagt der Bericht.  



Der Streit um Tarsus

Mit den gleichen Problemen haben die Katholiken in der Türkei zu kämpfen. Zuletzt entzündete sich der Streit darum vor allem an der Paulus-Kirche im südtürkischen Tarsus. Bislang können in der Kirche von Tarsus ebenso wie in einem orthodoxen Gotteshaus in Trabzon nur nach vorheriger Anmeldung Messen abgehalten werden. Während des Paulus-Jahres 2009, mit dem die katholische Kirche an den Geburtstag des Apostels vor 2000 Jahren erinnerte, war die Kirche vorübergehend für Gebete geöffnet.



Vor wenigen Wochen wurden Erwägungen bekannt, die Paulus-Kirche im südtürkischen Tarsus wieder als Gotteshaus zu nutzen. Der Kölner Erzbischof, Kardinal Joachim Meisner, begrüßte das als mögliches " Signal für die ganze Welt!" Nun wünschte er sich in der Tageszeitung "Passauer Neue Presse" von Christian Wulff, dass er den türkischen Staatspräsidenten Abdullah Güll dazu bewegt, ein Bekenntnis wie das des Bundespräsidenten zu Islam abzugeben.  Wulff hatte anlässlich des 20. Jubiläums der deutschen Wiedervereinigung gesagt, der Islam gehöre zu Deutschland wie das Christen- und Judentum.



Die historische Kirche wurde im Jahr 1943 vom türkischen Staat beschlagnahmt und danach als Lager vom Militär genutzt. Seit dem Jahr 2000 war sie Museum. Papst Benedikt XVI. besuchte das Gotteshaus 2007 bei seiner Reise in die Türkei.



Deutsche Christen gegen "Symbolpolitik"

Die deutsche Gemeinde in Antalya indes will beim Türkei-Besuch von Bundespräsident Christian Wulff nicht an einem geplanten ökumenischen Gottesdienst in der Pauluskirche von Tarsus teilnehmen. Eine solche Veranstaltung laufe auf reine "Symbolpolitik" hinaus, da es in Tarsus ohnehin keine Christen gebe, sagte Gemeindepfarrer Rainer Korten. Deutsche Politiker täten besser daran, einmal eine christliche Gemeinde in der Türkei zu besuchen, um sich über deren Probleme zu informieren, empfahl Korten.



Der katholische Pfarrer arbeitet seit sieben Jahren im südtürkischen Antalya, nachdem er als erster ausländischer Geistlicher eine türkische Arbeitsgenehmigung erhalten hatte. Seine Gemeinde Sankt Nikolaus besteht überwiegend aus älteren Deutschen, die sich an der türkischen Riviera niedergelassen haben.



Weder bei seiner Gemeinde noch bei türkischen Christengemeinden in Antalya oder anderswo habe sich je ein deutscher Politiker blicken lassen, so Korten. Nur der orthodoxe Patriarch von Konstantinopel Bartholomaios I. werde - offenbar aus Prestigegründen - stets besucht. "Aber wenn sie wirklich etwas über die Realität hier wissen wollten, dann sollten sie doch einmal die Menschen fragen." Korten äußerte die Hoffnung, dass die "erheblichen Schwierigkeiten", mit denen Christen in der Türkei im Alltag zu kämpfen hätten, bei dem Wulff-Besuch zur Sprache kommen. "Symbolpolitik ändert nichts, sondern nur klare Forderungen für die Freiheit der Christen hier, wie sie Muslime in Deutschland genießen", so der Pfarrer. Wulff besucht die Türkei vom 18. bis 22. Oktober.