Merkel gegen Fraktionszwang bei PID-Entscheidung

Dem Gewissen folgen

Bundeskanzlerin Angela Merkel will eine Freigabe des Fraktionszwangs bei einer Bundestagsentscheidung zur umstrittenen Präimplantationsdiagnostik (PID). Für eine Regelung sollte es auch keine Regierungsvorlage geben. Die Entscheidung sollte im Falle einer gesetzlichen Regelung "aus der Mitte des Parlaments" kommen.

 (DR)

Derweil begrüßte die Bundesärztekammer (BÄK) den Vorstoß der Kanzlerin und forderte Rechtssicherheit für Eltern und Ärzte. Damit widersprach sie entschieden dem CDU-Politiker Peter Hintze, der sich als PID-Befürworter zuvor gegen eine gesetzliche Regelung ausgesprochen hatte; die jetzige Rechtlage reiche aus und lasse die begrenzte Nutzung zu, so Hintze im Deutschlandfunk.



BÄK-Vizepräsident Frank Ulrich Montgomery sagte, das "klare Bekenntnis" Merkels für ein PID-Verbot sowie ihr Drängen auf eine ernsthafte Debatte bedeuteten eine "wichtige Initialzündung" für eine umfassende gesellschaftliche Auseinandersetzung über die Möglichkeiten und Grenzen der genetischen Diagnostik.

Unterdessen äußerten FDP-Politiker Kritik an der Festlegung der Bundeskanzlerin. So sagte Generalsekretär Christian Lindner, bei einer solchen ethischen Frage ende die Richtlinienkompetenz der Kanzlerin. Die Union solle die Debatte nicht für eine Profilschärfung des "C" im Parteinamen nutzen.



Meinung geändert

Seibert wies vor Journalisten die Frage zurück, ob sich die Kanzlerin nun in der Debatte um die konservative Linie der CDU aus "Opportunismus" für ein PID-Verbot ausgesprochen habe. Merkel habe vor zehn Jahren noch eine "etwas andere Haltung" in der Frage gehabt. Aber "bei jedem denkenden Menschen" seien Prozesse der Meinungsveränderung "möglich und manchmal wünschenswert". Dies sei vollkommen losgelöst von aktuellen tagespolitischen Fragen. Die CDU-Vorsitzende hatte sich am Samstag beim Deutschlandtag der Jungen Union in Potsdam für ein PID-Verbot ausgesprochen. Dabei, so Seibert, respektiere sie jeden, der zu einer anderen Entscheidung komme. BÄK-Vize Montgomery nannte eine Festlegung notwendig, "ob überhaupt, und wenn ja, in welchem Umfang, die PID in Deutschland anwendbar ist oder nicht". Er hob hervor, die ablehnende Haltung der Kanzlerin decke sich mit der geltenden Beschlusslage des Deutschen Ärztetages.



Dieser hatte sich bereits 2002 für ein PID-Verbot ausgesprochen, ungeachtet des "verständlichen" Wunsches von Eltern mit genetischer Vorbelastung. Montgomery sagte, die Bundeskanzlerin befürchte zu Recht, dass es schwierig sei, in der Praxis zwischen schwerer genetischer Krankheit und einem weniger schwerwiegenden Defekt zu unterscheiden. Wenn die FDP meine, die Anwendung von PID durch einen von der Bundesärztekammer erarbeiteten Katalog eingrenzen zu können, sei dies "eine Illusion". Die Möglichkeit eines Moratoriums schloss der BÄK-Vize explizit nicht aus.



Derweil forderten die Christdemokraten für das Leben (CDL) den Bundestag zu einem zügigen PID-Verbot auf. Die Vorsitzende Mechthild Löhr wies die Bewertung Hintzes zurück, PID würde den Eltern "ein Ja zum Kind erleichtern". Sie stelle diese vielmehr "vor neue, äußerst schwere Gewissensentscheidungen".

Bei PID werden im Reagenzglas erzeugte Embryonen auf Gendefekte untersucht und im Fall von Schäden vernichtet. Anfang Juli hatte der Bundesgerichtshof (BGH) in einem Grundsatzurteil festgestellt, dass die PID nicht gegen das Embryonenschutzgesetz verstößt und damit straffrei bleibt. Seitdem gibt es Forderungen nach einem expliziten Verbot dieser Untersuchungsmethode. Die katholische Kirche, Behindertenverbände und Lebensschutzgruppen lehnen jegliche Anwendung der PID in Deutschland strikt ab. Sie befürchten, dass es zur Selektion und Tötung von Embryonen kommt.

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