Robert Edwards erhält Medizinnobelpreis

Vater der Retortenbabys

Am Montag erhielt der Wegbereiter der künstlichen Befruchtung den Medizinnobelpreis zugesprochen: der Brite Robert Edwards. Seine Technik löste in den 70er und 80er Jahren weltweit heftige Diskussionen aus. Für die katholische Kirche ist die Reagenzglasbefruchtung im Rückblick so etwas wie ein Sündenfall.

Autor/in:
Christoph Arens
 (DR)

Als Louise Brown am 25. Juli 1978 das Licht der Welt erblickte, bedeutete das eine Revolution. Sie war das erste Kind weltweit, das außerhalb des Mutterleibes im Reagenzglas gezeugt wurde. Wer glaubte, dass dies eine Nischentechnik bleibe, hat sich getäuscht. Längst gehört die In-Vitro-Fertilisation (IvF) zu den etablierten Verfahren, unfruchtbaren Paaren doch noch zu einem Kind zu verhelfen. Weltweit wird die Zahl der Retortenkinder auf inzwischen vier Millionen geschätzt; in Deutschland sind es weit mehr als 100.000.



Am Montag erhielt der Wegbereiter dieser Revolution den Medizinnobelpreis zugesprochen: der Brite Robert Edwards, emeritierter Professor der Universität Cambridge. Die Forschungen des heute 85-Jährigen seien ein Meilenstein der modernen Medizin, erklärte das Nobelpreiskomitee in Stockholm zur Begründung. Edwards habe es ermöglicht, Unfruchtbarkeit zu behandeln - ein Schicksal, das fast zehn Prozent aller Paare weltweit ereile. "Die Vision von Robert Edwards ist heute Realität geworden und bringt unfruchtbaren Paaren überall auf der Welt Glück und Freude".



Der in Manchester geborene Wissenschaftler, der heute bei schwacher Gesundheit in einem Seniorenheim lebt, hatte bereits in den 50er Jahren zusammen mit dem 1988 gestorbenen Gynäkologen Patrick Steptoe mit seiner Forschung begonnen. Aus der Zoologie kommend, arbeitete Edwards zwischenzeitlich am Institut für Tiergenetik der schottischen Universität in Edinburgh. In zahlreichen Studien entdeckte er, wie menschliche Eizellen reifen, wie Hormone das Ei wachsen lassen und wann der richtige Zeitpunkt zur Befruchtung gekommen ist. 1969 gelang es ihm erstmals, eine menschliche Samenzelle im Reagenzglas in die Eizelle einer Frau zu schleusen. Mit großer Ausdauer entwickelte der Brite schließlich die Technik, bei der Eizellen aus dem Körper der Frau entnommen und im Reagenzglas befruchtet werden. Nach zwei bis drei Tagen werden die Zellen wieder in die Gebärmutter der Frau eingepflanzt.



Heute Standard

Heute gehört die Methode zum medizinischen Standard für die Behandlung von unfruchtbaren Paaren. Studien haben bestätigt, dass Kinder aus künstlichen Befruchtungen sich genau so gesund entwickeln wie ihre Altersgenossen, die auf natürliche Weise empfangen wurden. Allerdings ist der Weg zum Wunschkind trotz aller technischer Forschritte nicht einfach: Nicht nur der psychische Druck ist belastend; die Frauen müssen auch eine mit Nebenwirkungen verbundene Hormonbehandlung auf sich nehmen. Die Erfolgsquote der Behandlung liegt bei lediglich etwa 30 Prozent. Zugleich besteht ein hohes Risiko für Mehrlingsschwangerschaften.



Edwards Technik löste in den 70er und 80er Jahren weltweit heftige Diskussionen aus. Schon der Wissenschaftler selbst sah voraus, dass seine Entdeckungen auch das Tor zu Manipulationen an Embryonen öffneten. Plötzlich standen Fragen zum Rechtsstatus des menschlichen Embryos im Raum: Besitzt der künstlich gezeugte Embryo die gleiche Würde wie andere? Was geschieht mit überzähligen und kranken Embryonen? Worte wie Leihmutterschaft, Genmanipulation und Embryonenforschung sind fester Bestandteil der öffentlichen Debatte geworden.



Das zeigt sich etwa beim heiklen Thema Präimplantationsdiagnostik (PID). Damit können im Reagenzglas erzeugte Embryonen noch vor der Einpflanzung in die Gebärmutter auf Erbschäden untersucht und bei Defekten vernichtet werden - eine Methode, die insbesondere in Deutschland höchst umstritten ist. Kritiker der PID, darunter viele Behindertenverbände und Theologen, warnen vor einem "Dammbruch zur Eugenik und Menschenzüchtung" und einem Trend zur verbrauchenden Embryonenforschung. Schwangerschaften könnten mehr und mehr zu einer "Zeugung auf Vorbehalt" werden.



Für die katholische Kirche ist die Reagenzglasbefruchtung deshalb im Rückblick so etwas wie ein Sündenfall: Wo Menschen produziert würden und wie Ware und als Produkt daständen, sei die Menschenwürde zuinnerst verletzt und getroffen, erklärte beispielsweise der heutige Papst Benedikt XVI.