Tumulte bei Stuttgart 21-Protest

Wasserwerfer vs. Baumschützer

Krawallartige Szenen und Tumulte spielen sich im Stuttgarter Schlossgarten ab. Dem neuen Bahnhof "Stuttgart 21" sollen in der Nacht die ersten Bäume zum Opfer fallen. Die Bischöfe vor Ort rufen zum sofortigen Gewaltstopp auf. Die "erschreckende Unversöhnlichkeit" erschüttere das Gemeinwesen in seinen Grundfesten.

 (DR)

Mit Wasserwerfern geht die Polizei im sonst so beschaulichen Park am Donnerstag gegen Demonstranten vor, etwa 1.000 Beamte sind im Einsatz. Gegen 11.00 Uhr hat die Polizei ihren Großeinsatz zur Einrichtung der Baustelle auf der Südseite des Hauptbahnhofs für das Milliardenprojekt "Stuttgart 21" begonnen - die Baumfällungen stehen unmittelbar bevor.



Angesichts des emotionalen Themas aktiviert die Gegnerorganisation Parkschützer ihren Alarm, so dass innerhalb kurzer Zeit Tausende Demonstranten in den Schlossgarten strömen. Viele Demonstranten machen sich auf eine lange Nacht gefasst, denn dann sollen die ersten Bäume fallen. Die Situation droht zu eskalieren.



Rückkehr zum gemeinsamen Gespräch

Die Kirchen vor Ort haben zum Stopp der Gewalt aufgerufen. Mit Erschütterung reagierte der Bischof von Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, auf die Ausschreitungen. Gemeinsam mit seinem evangelischen Kollegen, Landesbischof Frank Otfried July forderte er alle Parteien auf, "unverzüglich vom Einsatz gewalttätiger und illegaler Mittel Abstand zu nehmen", heißt es in einer Erklärung.



Wer Verantwortung für den Frieden in der Bürgerschaft trage, müsse bereit sein, zum Tisch des gemeinsamen Gesprächs zurückzukehren. Eine erschreckende Unversöhnlichkeit, wie sie bei den aktuellen Vorgängen zutage trete, erschüttere das Gemeinwesen in seinen Grundfesten. Die Kirchen müssten dem in aller Entschiedenheit entgegen treten, betonten die Bischöfe Fürst und July.



"Das trocknet wieder"

Nur im Schneckentempo können sich die Einsatzfahrzeuge vorwärts bewegen, Tausende Demonstranten sind in den Park gekommen und versperren den Weg. Auch das Wasser scheuen sie nicht. "Das trocknet wieder", sagt ein Demonstrant, der sich spontan einer Sitzblockade angeschlossen hat. Viele schützen sich mit Planen und Regenschirmen oder verstecken sich unter den Bänken eines Biergartens.



Viele klettern auf Bäume, versuchen die Absperrungen zu überwinden oder machen ihrem Unmut einfach nur mit Tröten, Trillerpfeifen und Vuvuzelas Luft. Die Demonstranten diskutieren heftig mit den Polizisten und schreien sie auch teilweise an: "Das haltet ihr doch auch nicht durch!" ruft eine gut gekleidete Frau in Anspielung darauf, dass die Baustelle rund zehn Jahre im Schlossgarten der Dauerzustand sein soll.



Friedliche Baumschützer

Mit einer Aludecke hat es sich eine 48-jährige Frau unter einem Baum bequem gemacht. Auf einem Schild steht "Wir sind friedliche Baumschützer". Sie wolle hier bleiben, bis man sie wegtrage, sagte sie. Notfalls würde die 48-Jährige würde sogar soweit gehen, sich an einen Baum zu ketten, auch das sei eine friedliche Maßnahme.



Ein anderer Mann hat das schon wahr gemacht. Mit einer massiven Stahlkette hat er sich an eine alte Platane festgekettet. "Ich glaube nicht, dass es heute nacht losgeht", sagt der 70-Jährige und ist sicher, dass die Polizisten wieder gehen werden.



105 Bäume bis Ende Februar

Die Polizei hingegen hat angekündigt, mit den Aktionen beginnen zu wollen. Innerhalb der kommenden zwei Tage sollen 25 Bäume am Hauptbahnhof auf der Seite des Schlossgartens fallen, darunter auch eine große Platane. Bis Ende Februar sollen es insgesamt 105 Bäume sein.