Hilfsorganisationen bezweifeln Ziele des Millenniumsgipfels

Vertane Chance?

Mit neuen Anstrengungen will die Staatengemeinschaft ein Scheitern im Kampf gegen die Armut verhindern. Zum Abschluss des Millenniumsgipfels am Mittwoch in New York bekräftigten die 192 UN-Mitglieder die Entwicklungsziele, deren Erreichbarkeit allerdings von zahlreichen Politikern und Hilfsorganisationen angezweifelt wird.

Autor/in:
Jan Dirk Herbermann
 (DR)

Die teuersten Hotels in Reichweite des New Yorker UN-Hauptquartiers waren ausgebucht: das Waldorf Astoria, das Ritz-Carlton, das Palace. Könige wie Mohammed von Marokko, Präsidenten wie Robert Mugabe aus Simbabwe und Regierungschefs wie Äthiopiens Premierminister Meles Zenawi genossen die Annehmlichkeiten der Luxusherbergen. Im UN-Gebäude hielten sie während des UN-Millenniumsgipfels Reden über Armut, Hunger und Krankheiten. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon wurde während des Treffens nicht müde, die Welt zu beschwören: "Wir müssen alle Kräfte im Kampf gegen die Not mobilisieren."



Gipfel der Widersprüche und der Ratlosigkeit

Das am Mittwoch zu Ende gegangene Treffen dürfte als ein Gipfel der Widersprüche und der Ratlosigkeit in die Geschichte der Weltorganisation eingehen. Besonders klar formulierte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Botschaft: "Leider müssen wir aber heute sagen, dass wir nicht alle Ziele bis 2015 erreichen werden." Merkel bezog sich auf die acht Millenniumsentwicklungsziele. Die vor zehn Jahren vereinbarten Ziele gelten als zentrale UN-Vorgaben im Kampf gegen Armut, Hunger, Krankheiten, Diskriminierung der Frauen und Umweltzerstörung.



Zwar machten einige Länder Finanzzusagen, so will Frankreich über eine Milliarde Euro für den Kampf gegen Krankheiten wie Aids und Malaria geben. Und die Vereinten Nationen präsentierten neue Strategien gegen Mütter- und Kindersterblichkeit. Doch wird die gigantische Kluft zwischen Arm und Reich auf der Welt bestehen bleiben. Rund 1,4 Milliarden Menschen fristen nach UN-Angaben ein Dasein in extremer Armut. Die Finanzkrise stürzte laut Weltbank weitere 64 Millionen ins Elend.



Entwicklungshilfe ist nicht billig

"Schöne Gedanken und viele Worte bringen nichts, solange keine konkreten Taten folgen", kritisierte Stefan Germann von der Hilfsorganisation World Vision. Er mahnte eine größere Spendenbereitschaft der Geberländer an: "Gute Qualität in der Entwicklungshilfe ist nicht billig."



Tatsächlich fehlen bis Ende des Jahres weltweit rund 20 Milliarden US-Dollar im Kampf gegen die Armut. Vor allem die Finanzkrise hat zu einem Rückschlag geführt. Die meisten Regierungen der reichen Länder streichen Sozialprogramme für die eigene Bevölkerung. "Klar, dass dann für die Ärmsten der Armen in den Entwicklungsländern nicht mehr allzu viel übrig bleibt", sagte ein Diplomat.



Die Mächtigen in den Entwicklungsländern stellen sich auf die neue Lage ein. Der äthiopische Premierminister Zenawi etwa erklärte in einer Expertenrunde, zu der Kanzlerin Merkel geladen hatte, die Staaten Afrikas selbst müssten mehr Resultate im Kampf gegen die Armut liefern. "Wir haben weniger Mittel zur Verfügung, wir müssen aber bessere Resultate liefern", sagte Zenawi.



Merkel forderte die Entwicklungsländer zur konsequenten Umsetzung marktwirtschaftlicher Prinzipien auf. In ihrer Rede vor dem Gipfel verlangte sie: "In Eigenregie müssen marktwirtschaftliche Entwicklungen, der Auf- und Ausbau von kleinen und mittleren Unternehmen und die Stärkung des ländlichen Raums vorangetrieben werden." Auch war immer wieder vom Frieden als zentraler Voraussetzung für Wirtschaftswachstum und Wohlstand die Rede.



Doch einige Politiker aus dem Norden räumten eklatante Mängel in der globalen Strategie gegen die Armut ein. Bei der Formulierung der Millenniumsentwicklungsziele hätten die Autoren das Konzept der "guten Regierungsführung" schlicht vergessen. "Nirgendwo wird in den Zielen verlangt, dass die Regierungen der armen Staaten entschlossen gegen Korruptikon und Verschwendungssucht kämpfen sollen", hieß es. Es ist ein Konstruktionsfehler, der den Kampf gegen die Armut schwer belastet.