Evangelische Gemeinden in Gorleben wehren sich gegen Enteignungen

Keine Grundstücke für die atomare Entlagerung

Vier evangelischen Kirchengemeinden in Gorleben droht eine Enteignung ihrer Grundstücke, weil sie sich gegen eine Erkundung des Salzstocks im Ort als atomare Endlagerstätte wehren. Stephan Wichert-von-Hotten ist Probst in Lüchow-Dannenberg und begründet im domradio.de-Interview die Haltung seiner Kirche.

 (DR)

domradio.de: Warum eigentlich sollen diese vier Gemeinden überhaupt enteignet werden?

Stephan Wichert-von-Hotten: Wenn Sie sich den Salzstock wie einen aufrechten flachen Kieselstein vorstellen, dann liegen die Flächen genau in der Mitte, d.h. in dem potenziellen Erkundungsfeld. Obwohl: Potenziell ist nicht ganz richtig, Sie können natürlich nur den gesamten Salzstock beurteilen, er sei sicher oder als Endlager geeignet, wenn Sie alle Flächen erkundet haben und sich nicht irgendwo noch etwas verbirgt.



domradio.de: Die Gemeinden wehren sich natürlich gegen die Enteignung. Warum wehren Sie sich auch gegen die Untersuchung? Wie hängt das zusammen?

Wichert-von-Hotten: Das stimmt nicht ganz: Wir wehren uns nicht gegen eine Untersuchung des Salzstockes, wir wehren uns vielmehr dagegen, dass er nach diesen Kriterien, also gar keinen Kriterien, oder nur geologischen untersucht wird. Für uns gilt, was für jeden Landeigentümer gilt und in §14 des Grundgesetzes steht: Eigentum verpflichtet. Uns ist sozusagen in die Hände gegeben, dass wir fordern, was für die Menschen, nicht für uns als Kirche, das Wichtigste ist. Und das ist die Sicherheit eines Endlagers. Und die bekommen wir nur heraus, wenn wir alternative Standorte erkunden. Das heißt in der der gesamten Bundesrepublik in unterschiedlichen Gesteinsformationen suchen, was wirklich das Beste ist oder was ungeeignet ist. Wir als Kirche haben immer gesagt: Wenn unter diesen ganzen alternativen Standorten Gorleben der Beste unter den Schlechtesten ist, dann können wir uns nicht wehren, sondern der Atommüll muss irgendwo hin, d.h. wir wehren uns nicht gegen etwas, sondern wir setzen uns für etwas ein. Da hätte ich die Hoffnung, dass die Politiker das endlich mal verstehen.



domradio.de: Haben Sie schon versucht mit Bundesumweltminister Röttgen Kontakt aufzunehmen, um alles zu klären und Ihre Position zu verdeutlichen?

Wichert-von-Hotten: Seit 30 Jahren ist die Kirche - sowohl die Landeskirche als auch die Kirchengemeinden und der Kirchenkreis hier vor Ort - mit sämtlichen politischen Gremien und allen Bundesregierungen im Gespräch gewesen. Mit der jetzigen klappt das nicht. Seit einem dreiviertel Jahr bittet unser Bischof um ein Gespräch mit Herrn Röttgen, er fordert es geradezu ein, und es wird ihm nicht gewährt. Das ist neu für uns und macht uns natürlich sehr, sehr stutzig. Wir sind eigentlich gewohnt, dass die Politik gerade mit Kirche intensiv arbeitet und in Dialog steht, ja uns ganz oft als Podium wahrnimmt. In den 90er Jahren ist aufgrund des kirchlichen Interesses und auch aufgrund der kirchlichen Initiative ja überhaupt erst die Verabredung zur Erkundung eines Endlagers, entstanden. Und das war damals ein riesiger politischer Schritt.



domradio.de: Das heißt, die christliche Regierung, geführt von einer christlichen Kanzlerin, weigert sich, mit Ihnen weiter zu sprechen. Haben Sie schon überlegt, was der nächste Schritt sein würde, wenn Norbert Röttgen weiterhin ein Gespräch verweigert?

Wichert-von-Hotten: Wir können ihn zu nichts zwingen, aber es ist natürlich eine ganz unangenehme Situation, aus der Presse und den Nachrichten zu erfahren, dass die Enteignung von Ländereien, von Eigentum wieder möglich ist. Da hätte man vorher sagen können: Passt mal auf, wir haben Folgendes vor, das hat den und den Hintergrund. Schließlich ist ja vor ungefähr 10 Jahren die Enteignung aus dem Gesetz herausgenommen worden, um hier im Wendland eine ruhige und besorgnisfreie Atmosphäre zu schaffen, um gerade zu sagen: Passt auf, Leute, ohne Druck, ohne Zwang, ohne dass wir Euch irgendwie am Kragen packen wollen, wollen wir hier ein Endlager erkunden, und nicht weil wir dürfen, weil wir Land haben, weil das nun mal so ist. Und da scheint sich im Moment etwas zu verändern, was uns sehr skeptisch macht.



domradio.de: Es macht Sie skeptisch, aber gibt es z.B. juristische Schritte, die Sie einleiten werden?

Wichert-von-Hotten: Zunächst ist ja diese Enteignungsklausel wieder ins Gesetz hineingenommen worden. Übrigens ins Atomgesetz. Weiter erkundet wird der Salzstock nach Bergrecht. Das passt schon nicht richtig zusammen. Aber im Atomgesetz steht eben dann nun diese Enteignung. Damit erklärt die Bundesregierung, und nicht nur Herr Röttgen, sondern die Regierung insgesamt, ihren politischen Willen. So was schreibt man nur hinein, wenn man es anwenden will - zumindest ist das meine Meinung. Aber so weit sind wir noch gar nicht. Es ist noch niemand auf uns zu gekommen und hat gesagt: Wir brauchen Euer Land. Es ist noch niemand mit der Androhung von Enteignung auf uns zu gekommen. Aber wir haben noch ein anderes kirchliches Gremium, nicht das, von dem ich vorhin gesprochen habe. Das hat mit Herrn Röttgen gesprochen und er hat uns als Kirche nahegelegt, alle rechtsstaatlichen Mittel zu prüfen. Das ist ein deutliches Zeichen.



Die Bundesregierung will vier evangelische Kirchengemeinden enteignen, sollten sie sich weiterhin weigern, dass der Salzstock in Gorleben erkundet wird. Er soll womöglich bald als atomares Endlager dienen. Darüber gesprochen habe ich mit Probst Stephan Wichert-von-Hotten. Vielen Dank!