Der französische Regisseur Claude Chabrol stirbt im Alter von 80 Jahren

Der wahre Nachfolger Hitchcocks

Unter den bedeutenden Regisseuren war er einer der fleißigsten: Claude Chabrol drehte fast jedes Jahr einen Film, reiste zu Festivals und erfreute sein Publikum. Sein umfangreiches Lebenswerk spannt sich über fünf Jahrzehnte. Am Sonntag ist Chabrol im Alter von 80 Jahren gestorben.

Autor/in:
Wilhelm Roth
 (DR)

Zu seinen Kinofilmen kommen noch zahlreiche Kurz- und Fernsehfilme. Chabrol war ein "Workaholic", der sich nie unterkriegen ließ, auch nicht durch kommerzielle oder künstlerische Misserfolge. "Mein Geheimrezept für eine lange Karriere lautet: Keine Angst haben, sich auch mal jenseits großer Kunst die Hände schmutzig zu machen", sagte er 2009. "Und möglichst viel drehen. Wenn dann mal was daneben geht, hat das nicht so viel Gewicht wie bei einem Regisseur, der nur alle fünf Jahre einen Film macht."



Vor 20 Jahren wurde Chabrol schon einmal abgeschrieben, nach der uninspirierten Fritz-Lang-Hommage "Dr. M" oder der ärgerlich misslungenen Henry-Miller-Adaption "Stille Tage in Clichy". Doch schon der nächste Film "Madame Bovary" (1991, nach Gustave Flaubert) zeigte ihn auf der alten Höhe, und nach "Betty" (1992, nach Georges Simenon) folgten mit "Die Hölle" (1994) und "Biester" (1995) Meisterwerke, die an die großen Filme der späten 60er Jahre anschlossen, an "Die untreue Frau" (1968), "Das Biest muss sterben" (1969) oder "Der Schlachter" (1969).



Am 24. Juni 1930 in einer großbürgerlichen Familie in Paris geboren, studierte Chabrol zunächst Pharmazie, bevor er sich dem Kino zuwandte. Er begann als Kritiker für die berühmten Zeitschriften "Arts" und vor allem "Cahiers du Cinema". 1957 schrieb er zusammen mit Eric Rohmer, später ebenfalls ein Regisseur der "Neuen Welle", ein Buch über Alfred Hitchcock. Damit war ein Grundton angeschlagen, der viele Filme Chabrols bestimmen sollte.



Scharfsichtiger Beobachter

Denn wie Hitchcock in seinen Krimis erwies sich auch Chabrol in seinen besten Arbeiten als scharfsichtiger Beobachter und Kritiker der bürgerlichen Gesellschaft. Vor allem die französische Provinz wurde bei ihm immer wieder zum Thema. Oft erzählte Chabrol Familien- oder Ehegeschichten. Die Mischung aus Heuchelei, krankhafter Eifersucht, sexueller Perversion oder Machtgier ist explosiv bis zum Mord - die bürgerliche Fassade bricht zusammen.



Diese Filme leben nicht nur von Chabrols Regiekunst, sondern auch vom intensiven Spiel seiner Protagonisten, besonders der Frauen. Stéphane Audran, mit der er von 1964 bis 1980 verheiratet war, verkörperte in über 20 Filmen die geheimsvoll schöne, liebevolle, aber auch kühle, manchmal unheimliche Gattin oder Geliebte, unvergesslich etwa in "Zwei Freundinnen" (1967), "Der Riss" (1970) oder "Blutige Hochzeit (1973).



Wendepunkt in Chabrols Werk 1978

Ein Höhepunkt und auch Wendepunkt in Chabrols Werk war 1978 "Violette Nozière". Zum ersten Mal spielte Isabelle Huppert bei ihm die Hauptrolle, einen freundlichen Teenager, der zur Prostituierten, schließlich zur Mörderin wird, Stéphane Audran ist die Mutter. Insgesamt sieben Mal hat Huppert in Filmen von Chabrol mitgewirkt. Sie war Madame Bovary und zuletzt in "Geheime Staatsaffären" (2006) eine Untersuchungsrichterin, die Betrugs- und Bestechungsfälle bei einem Mineralölkonzern aufklären soll (frei nach der Affäre Elf Aquitaine).



Isabelle Huppert hat eindrucksvoll die Qualitäten des Regisseurs beschrieben: "Chabrol ist für mich so etwas wie Sternberg es für Marlene Dietrich war. Er kennt mich besser als jeder andere. Wir brauchen keine kilometerlangen Gespräche. Wir verstehen einander auch ohne Worte."