pax-christi zum Weltfriedenstag

Europa als kleines Wunder

Heute jährt sich der Beginn des 2. Weltkrieges zum 71. Mal, dieser Tag wird als Weltfriedenstag begangen. Im domradio.de-Interview: Johannes Schnettler, Vizepräsident von Pax Christi, zur Bedeutung des Gedenktages und der Vorbildrolle Europas.

 (DR)

domradio.de: Was hat eigentlich damals in diese Katastrophe geführt, wenn wir das noch mal kurz umreißen können?

Schnettler: Die Gründe sind sicherlich sehr vielschichtig, aber was man hervorheben kann ist zum einen die nationale Verengung, die zum vorherrschenden Bewusstsein geworden ist, unsere Nation steht über allem und das zweite ist, die Rassenideologie der Nationalsozialisten, die diesen nationalen Anspruch noch mal durch genetische und vermeintlich rassistische Vorsprünge gegenüber anderen Völkern durchgesetzt sehen wollte.  



domradio.de: Wie beurteilen sie denn europäischen Einigungsprozess jetzt 71 Jahre nach Kriegsbeginn, also was hat Europa erreicht?

Schnettler: Es ist ja, mit Ausnahme der Balkankriege in den neunziger Jahren, schon ein kleines Wunder, dass es 71 Jahre lang in Europa oder 65 Jahre lang in Europa keinen Krieg mehr gegeben hat und das man wirklich mit Fug und Recht sagen kann, die Nationen haben aus diesem Weltkrieg, aus diesen zwei Weltkriegen im vergangenen Jahrhundert wirklich gelernt, insofern als das sie auf Verständigung, auf Kooperation, auf Zusammenarbeit hin ausgerichtet waren und so die Grundlagen für vertrauensvolle Zusammenarbeit geschaffen haben.



domradio.de: Was ist denn künftig maßgeblich für den Frieden in Konfliktregionen dieser Welt, die es ja durchaus noch überall gibt, im Nahen Osten, Afrika oder auch Lateinamerika?

Schnettler:  Nun, die Stichworte sind grade von mir schon genannt worden, es geht um eine Vertrauensbasis. Was wir in Europa nach dem zweiten Weltkrieg geleistet haben oder die Männer und Frauen vor uns geleistet haben, das muss uns auch gelingen im Internationalen Weltmaßstab. Wir dürfen als Europäer stolz auf diese erreichte Kooperation sein, wir müssen aber auch gleichzeitig sehen, dass wir nicht Eigeninteressen nach vorne stellen und sozusagen zur Verschärfung der Vertrauenskrise im internationalen Bereich beitragen. Das heißt, wir können nicht nur unsere wirtschaftlichen Interessen in den Vordergrund stellen und sagen, wir müssen unsere Rohstoffe sichern, wir müssen unsere Handelsbeziehungen sichern, sondern wir müssen sehen, wie steht das in einem Abgleich mit den anderen Völkern, mit den anderen Nationen und wie kommt das im Weltmaßstab im Sinne einer universalen Gerechtigkeit zu stehen.



domradio.de: Vor genau sieben Jahren haben ja die USA den Irak angegriffen. Was muss denn insgesamt mehr getan werden, um den Weltfrieden voran zu treiben?

Schnettler: Ich glaube, der Irakkrieg ist ein gutes Beispiel dafür, dass militärischer Einsatz nicht zwangsläufig zum Frieden führt, sondern die Situation noch dramatisch verschärft. Wir hatten die große Angst vor dem atomaren und biologischen Schlag der Irakis, der uns suggeriert wurde oder der Weltöffentlichkeit suggeriert wurde. Das hat sich alles in Luft aufgelöst und nun muss der amerikanische Präsident beim Rückzug der Truppen unter allen Umständen das Wort "Sieg" vermeiden. Es hat keinen Sieg der amerikanischen oder der alliierten Truppen gegeben, sondern es ist ein Rückzug, der nicht mal eine Gesichtswahrung ist, sondern ein unsicheres, ein nicht geordnetes Land hinterlässt und statt militärischer Intervention braucht es humanitäre und soziale Intervention, die ein Einbinden der jeweiligen Nation in die Völkergemeinschaft gewährleistet und kein Herausdrängen provoziert.



domradio.de: Angesichts dieses Jahrestages, Herr Schnettler, drängt es sich ja geradezu auch auf, einen Blick noch auf die derzeitige Bundeswehr-Debatte zu werfen. Wie beurteilen sie diese?  

Schnettler: Die Debatte ist zu begrüßen. Ich befürchte nur oder wir beobachten von Pax Christi, dass auch diese Debatte wieder zu kurz greift. Wir haben grade über die Internationale Verflochtenheit gesprochen und den Weltmaßstab benannt der verantwortlich ist für Sicherheit und Frieden unter den Völkern. Diese  Bundeswehrdebatte wird in unseren Augen nationalistisch verengt geführt, oder National verengt geführt. Wir sind ein vereinigtes Europa und es ist immer wieder bemerkenswert wie sehr wir dann bei den militärischen Angelegenheiten doch sehr Nationalstaatlich denken. Das muss aufgebrochen werden und wenn wir als Europäer nicht in der Lage sind, auch unsere gemeinsamen Sicherheitsinteressen zu organisieren und auch zu bündeln, dann werden wir das vereinte Europa was vorbildlich für die Welt ist sicherlich immer mit einem Defizit betreiben, nämlich insofern als das wir so ein Rest nationaler Vorbehalte haben, also mit anderen Worten, ich meine wir springen bei dieser Debatte zu kurz, wir müssen  unsere Bundeswehrreform im Kontext einer europäischen gemeinsamen Sicherheitspolitik debattieren.