Katholiken kristisieren Pläne zum Zivildienst

Das Prinzip Freiwilligkeit hochhalten

Mit der angestrebten Aussetzung der Wehrpflicht bekommt der Zivildienst ein Problem. Bundesfamilienministerin Kristina Schröder will einen neuen "bundesweiten freiwilligen Zivildienst" - und erntet Ablehnung. Auch von der Katholischen Bundesarbeitsgemeinschaft für Freiwilligendienste. Im Interview warnt Geschäftsführer Uwe Slüter vor einer Konkurrenz zwischen Staat und Zivilgesellschaft.

 (DR)

KNA: Herr Slüter, fällt die Wehrpflicht, ist das auch das Ende des Zivildienstes. Welche Folgen hätte dies für die Freiwilligendienste?
Slüter: Zunächst muss man sagen, der Zivildienst hatte eine gesellschaftlich wichtige Funktion. Nicht nur, weil er zusätzliche Kräfte in soziale Berufe geführt hat, sondern weil er jungen Menschen auch die Möglichkeit gegeben hat, etwas zu lernen und Orientierung zu erhalten. Und ich glaube, dass genau dieser Charakter aus Sicht der jungen Menschen und der Gesellschaft benötigt wird. Deshalb finde ich gut, dass die Bundesregierung ein Signal sendet, dieses Engagement für die Gesellschaft retten zu wollen. Wie sie das retten will, damit haben wir allerdings ein großes Problem.

KNA: Welches ist das?
Slüter: Das Problem besteht darin, dass die Regierung neben einem bereits bestehenden und gut etablierten Freiwilligendienst, der von der Zivilgesellschaft entwickelt wurde, ein staatlich organisiertes Angebot in Konkurrenz setzt. Wir befürchten, dass dieser staatliche Dienst besser finanziert wird als das Freiwillige Soziale Jahr. Wir freien Träger wären durchaus in der Lage, diese Aufgabe selber zu erbringen - in Zusammenarbeit mit der Bundesregierung. Wir brauchen dieses staatliche Konkurrenzprogramm nicht.

KNA: Nun werden von Seiten der CDU Stimmen nach einem sozialen Pflichtdienst laut, was halten Sie davon?
Slüter: Dieser soziale Pflichtdienst verstößt meiner Ansicht nach gegen UN-Konventionen, gegen das EU-Recht und auch gegen das Freizügigkeitsgebot des Grundgesetzes. Der Pflichtdienst wäre Zwangsarbeit, das ist in demokratischen Ländern gar nicht möglich. Hier wird eine Scheindebatte geführt. Stellen Sie sich allein den Verwaltungsaufwand vor, jedes Jahre 800.000 Menschen zu vermitteln und diese dann eventuell mit Staatsgewalt vorzuführen. Das Menschenbild, das dahinter steckt, ist zusätzlich erschreckend. Wir wollen zum Engagement motivieren und das geht nur, wenn das Prinzip der Freiwilligkeit hochgehalten wird.

KNA: Welche Probleme ergeben sich, wenn die Bundesregierung 35.000 Plätze für den freiwilligen Zivildienst schaffen will?
Slüter: Noch kennen wir die Rahmenbedingungen nicht, aber wir gehen davon aus, dass sie in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis stehen werden, also auch gut abgesichert sind. Außerdem bekommen sie ein Taschengeld, das wesentlich höher ausfällt als beim FSJ. Hinzu kommt noch der Zuschuss für die Einsatzstellen. Insgesamt scheint der staatliche Zuschuss für den freiwilligen Zivildienst wesentlich höher zu sein, als für das FSJ. Wir müssen augenblicklich die Einsatzstellen sogar an den Kosten für die Bildungsarbeit im FSJ beteiligen. Das heißt, sowohl auf Seiten der Freiwilligen, als auch auf der Seite der Einrichtungen könnte eine Abstimmung mit den Füßen stattfinden. Und das wäre das Ende des FSJ und hätte Auswirkungen für ehrenamtliches Engagement insgesamt.

KNA: Was spricht denn für ein FSJ im Gegensatz zum freiwilligen Zivildienst?
Slüter: Wir haben ein funktionierendes Programm, das weiterentwickelt werden kann und muss. Und das, was die Regierung gerade macht, ist freundlich ausgedrückt eine besser gestellte staatliche Konkurrenz gegen die Zivilgesellschaft. Das FSJ ist ein Bildungsjahr. Wir beweisen jedes Jahr, dass die Teilnehmer und Teilnehmerinnen etwas mitnehmen und Berufs- und Lebensorientierung bekommen. Es gibt in 25 Bildungstagen ein vielfältiges Angebot, sich mit sich selbst und der Gesellschaft auseinanderzusetzen.

KNA: Welche Lösung bieten Sie als katholischer Verband an?
Slüter: Bislang unterstützt die Bundesregierung das FSJ nur mit relativ geringen Zuschüssen, wenn sich das ändert, können wir massiv ausbauen. Bundesweit gibt es jährlich 40.000 FSJ-Freiwillige, die Träger haben der Bundesregierung angeboten, auf über 60.000 Plätze auszubauen. In katholischen Einrichtungen sind 4.500 Freiwillige aktiv. Wir haben der Bundesregierung eine Zusammenarbeit vorschlagen und angeboten, innerhalb der kommenden zwei Jahre die Zahl der Plätze auf 6.500 aufzustocken. Das FSJ ist wichtig für junge Menschen, es hat eine jugendpolitische Bedeutung.

Interview: Veronika Schütz