Französische Kirche kritisiert Roma-Abschiebungen

"Institutionelle Gewalt"

Die französische Caritas "Secours catholique" hat der Regierung "nicht hinnehmbare institutionelle Gewalt" beim Umgang mit Roma vorgeworfen. Die Räumung illegaler Lager sei erfolgt, ohne dass den Betroffenen dauerhafte Lösungen angeboten worden seien. Auch Bischöfe und der Europarat üben Kritik.

 (DR)

Die Caritas beklagt, die Roma lebten jetzt in Angst, würden von der Polizei gejagt und in der öffentlichen Meinung stigmatisiert. Dadurch würde die Notlage dieser Minderheit verstärkt. Sämtliche Integrationsbemühungen seien so mit einem Schlag zunichtegemacht worden.

Bischof Gilbert Louis von Chalons-en-Champagne rief am Dienstag in einem Zeitungsinterview die Politiker auf, mehr Toleranz zu zeigen, statt Angst zu schüren. Recht und Würde der Roma müssten geschützt werden.

Der Bischof erklärte, ein Nomaden-Dasein sei kein Delikt. Roma hätten in Frankreich erhebliche Probleme etwa bei der Einschulung ihrer Kinder oder bei der Registrierung auf Wählerlisten. Louis erinnerte daran, dass vor zehn Jahren Gemeinden mit mehr als 5.000 Einwohner verpflichtet worden seien, Lagerstätten für Roma einzurichten. Dennoch gebe es derzeit in Frankreich nur rund 24.000 Rastplätze für Roma statt der angestrebten 40.000. Auch Bischof Jean-Paul James von Nantes wandte sich nach Angaben der Zeitung «Ouest-France» vom Dienstag gegen «die Stigmatisierung von bestimmten Bevölkerungsgruppen, die sich in einer Notlage befinden».

Die Europarats-Kommission gegen Rassismus und Intoleranz (ECRI) äußerte sich «tief besorgt» über die Politik der französischen Regierung. In einer am Dienstag in Straßburg veröffentlichten Erklärung kritisierte die Europarats-Kommission, hochrangige Politiker hätten zuletzt mit Worten und Taten Roma stigmatisiert. Bereits 2005 habe ECRI Frankreich aufgerufen, das Recht der Roma auf Bildung, Wohnung und Gesundheit besser zu schützen. Noch immer lebten aber zahlreiche Roma in Frankreich in unzumutbaren Bedingungen. Die jüngsten Maßnahmen seien nicht geeignet, eine dauerhafte Lösung zu finden.

Auch der Dachverband der protestantischen Kirchen in Frankreich FPF äußerte sich am Dienstagabend beunruhigt über die Regierungsmaßnahmen. Die Roma gehörten zu den ärmsten Völkern Europas. Ihre Diskriminierung müsse beendet werden.

Frankreichs Europa-Staatssekretär Pierre Lellouche widersprach dem Vorwurf, sein Land verstoße mit der Abschiebung von Roma nach Rumänien gegen EU-Recht. Die Regierung handele vielmehr gemäß den Vorschriften, die Abschiebungen zur Kriminalitätsvorbeugung zuließen. Viele der Roma seien durch Menschenhändler-Netze nach Frankreich gebracht worden, so Lellouche am Dienstag in der Zeitung «Le Figaro». Auch der französische Premierminister Francois Fillon bezeichnete die umstrittenen Räumungen und Abschiebungen als korrekt.

Fillon kündigte an, EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso zu kontaktieren, um eine bessere Koordinierung der Zusammenarbeit mit den bulgarischen und rumänischen Behörden zu erzielen.