Pakistan akzeptiert nach langem Zögern Fluthilfe aus Indien

Annäherung verfeindeter Nachbarn

Am Freitag akzeptierte Pakistan das Angebot Indiens zur Hilfe für die Opfer der Flut. Das ist nicht selbstverständlich: Beide Nachbarn sind seit der blutigen Teilung des Subkontinentes 1947 zerstritten. Ob die Annährung von Dauer sein wird, bleibt abzuwarten.

Autor/in:
Agnes Tandler
 (DR)

Gleich zwei massive Eisentore trennen die verfeindeten Nachbarn. Der streng bewachte Grenzübergang Wagah zwischen dem indischen Amritsar und dem pakistanischen Lahore ist die einzige Straßenverbindung zwischen den beiden südostasiatischen Rivalen. Doch Autos und Laster dürfen hier nicht ohne weiteres passieren. Weil indische Fahrzeuge nicht durch Pakistan und pakistanische nicht durch Indien fahren dürfen, werden alle Waren hier umgeladen und von Lastenträgern zu Fuß durch das Niemandsland geschleppt.

Auch die wenigen Reisenden, die täglich den Grenzübergang passieren, müssen laufen. Ähnlich wie zu Zeiten der Berliner Mauer in Deutschland ist die Geschwindigkeit der Abfertigung an der Wagah-Grenze eine Art Temperaturfühler für den augenblicklichen Stand der Beziehungen. Derzeit braucht man viel Geduld.

Denn Indien macht Pakistan für den schweren Terroranschlag in der indischen Finanzmetropole Mumbai 2008 verantwortlich, bei dem über 160 Menschen getötet wurden. Angesichts der verheerenden Flutkatastrophe in Pakistan hat die indische Regierung dem Nachbarn Hilfe von fünf Millionen US-Dollar angeboten und Pakistan damit in eine Zwickmühle gebracht. Denn der öffentliche Druck in Pakistan war stark, die indische Offerte klar abzulehnen.

Den USA ist an einer Annäherung der Erzfeinde gelegen
Am Freitag akzeptierte Islamabad das Angebot dann doch - nach einer Ermahnung durch die USA: "Bei der Antwort auf eine Katastrophe sollte Politik keine Rolle spielen", erklärte das Präsidialamt in Washington. Den USA ist an einer Annäherung der Erzfeinde gelegen. Denn ohne sie ist ein dauerhafter Frieden in Afghanistan nicht zu erreichen. Am Hindukusch führen Indien und Pakistan seit langem einen komplizierten Stellvertreterkrieg um regionalen Einfluss. Im blutigen Bürgerkrieg nach dem Abzug der Sowjetunion aus Afghanistan 1989 unterstützen die beiden Staaten unterschiedliche Seiten. Dieses Szenario könnte sich nach dem Abzug der NATO aus Afghanistan 2014 wiederholen, fürchten manche.

Beide Nachbarn sind seit der blutigen Teilung des Subkontinentes 1947 zerstritten. Bei den Wirren während der Abspaltung des islamischen Staates Pakistan von dem mehrheitlich hinduistischen Indien kamen Hunderttausende Menschen ums Leben. Mehr als 14 Millionen Menschen mussten ihre Heimat verlassen, um zwangsweise nach Indien oder Pakistan umzusiedeln.

Seit dem Rückzug der damalige Kolonialmacht Großbritannien haben die Länder bereits drei Kriege gegeneinander geführt. Auch in Friedenzeiten rüsten beide Armeen für den Ernstfall. Nachdem Indien 1974 erfolgreich Atomwaffen testete, ließ Pakistan nichts unversucht, um gleichzuziehen. "Wir werden tausend Jahre lang Gras und Blätter essen und sogar hungern, aber wir werden eine eigene (Atombombe) haben", erklärte der damalige Premierminister Pakistans, Zulfikar Ali Bhutto. Im Mai 1998 gab es den ersten erfolgreichen Test.

Obwohl Pakistan fast zehnmal kleiner ist als Indien, sind die beiden Staaten militärisch etwa gleich stark. Weil sich die islamische Republik seit ihrer traumatischen Gründung als gefährdet ansieht, ist die Armee zum entscheidenden Machtfaktor im Land geworden. "Die Schwachen und Wehrlosen in dieser Welt laden andere zum Angriff ein", begründete Staatsgründer Mohammed Ali Jinnah schon 1948 den Weg der Aufrüstung gegen Indien. Pakistan hat heute über eine halbe Million Soldaten.

Trotz der Bedrohung Pakistans durch islamische Extremisten und den Krieg gegen die Taliban im pakistanisch-afghanischen Grenzgebiet: Der wirkliche Feind in den Augen des pakistanischen Militärs bleibt Indien.