In Pakistan leiden 20 Millionen Menschen unter Fluten

Keine EU-Eingreiftruppe

In Pakistan bewegen sich die Fluten weiter in Richtung Süden. Mehr Menschen seien auf der Flucht vor den Wassermassen, berichtete der britische Sender BBC am Montag. Die Hilfe habe erst die Hälfte der Bedürftigen erreicht. Die Europäische Union lehnte unterdessen eine humanitäre EU-Eingreiftruppe für Katastrophen wie in Pakistan ab.

Pakistan: Die Flut hinterlässt totale Zerstörung (epd)
Pakistan: Die Flut hinterlässt totale Zerstörung / ( epd )

Rund 20 Millionen Menschen sind nach Angaben der pakistanischen Regierung von der Jahrhundertflut betroffen. Im Süden blockierten verärgerte Dorfbewohner wegen ausbleibender Hilfe eine Straße.

Der pakistanische Außenminister Makhdoom Shah Mahmood Qureshi warnte, wenn nicht mehr internationale Hilfe komme, sei die Stabilität des Landes in Gefahr. «Pakistan braucht Ihre Hilfe», sagte er in einem BBC-Interview an die Weltöffentlichkeit gewandt. Millionen Menschen seien von Hunger und Epidemien bedroht. Es bestehe auch die Gefahr, dass Extremisten von der Situation profitieren könnten.

Kampf gegen extremistische Kräfte
Qureshi bat um Verständnis dafür, dass das gewaltige Ausmaß der Flutkatastrophe die Fähigkeiten seines Landes übersteige. Gleichwohl werde man auch während der Überschwemmungen im Kampf gegen extremistische Kräfte nicht nachlassen.

Die Europäische Union lehnte unterdessen den französischen Vorschlag einer humanitären EU-Eingreiftruppe für Katastrophen wie in Pakistan ab. «Wir leisten finanzielle Hilfe und unterstützen Organisationen vor Ort», sagte ein Sprecher des EU-Kommissionspräsidenten José Manuel Barroso in Brüssel dem epd. «Gemeinsame Einsätze durch Militär sind nicht geplant.» Über den Einsatz von Soldaten würden im Einzelfall die Mitgliedsstaaten entscheiden.

Sarkozy-Vorschlag ohne Erfolg
Die Europäische Kommission reagierte damit auf einen Vorschlag des französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Angesichts der Flutkatastrophe in Pakistan hatte Sarkozy am Sonntag Barroso in einem offenen Brief aufgefordert, eine europäische Eingreiftruppe für Krisenfälle aufzubauen. Damit könnte in Katastrophengebieten wie Pakistan, Haiti oder Russland schnell geholfen werden, erklärte Sarkozy.

Nach Angaben der EU-Kommissarin für Humanitäre Hilfe, Kristalina Georgieva, will Brüssel sich verstärkt beim Aufbau von Frühwarnsystemen im Katastrophenschutz engagieren. Die EU hat bisher 40 Millionen Euro Soforthilfe für Pakistan bereitgestellt. Die Bundesregierung stockte ihren Beitrag am Wochenende um fünf Millionen auf 15 Millionen Euro auf.

Millionen Kinder von Krankheiten bedroht
Nach Angaben der Vereinten Nationen wurden mindestens zwei Millionen Menschen in Pakistan obdachlos. 3,5 Millionen Kinder seien von Krankheiten bedroht, hieß es am Montag. Erste Fälle von Cholera wurden bestätigt. Hilfsorganisationen riefen zu Spenden auf. «Es ist unsere humanitäre Pflicht, Pakistan zu helfen», sagte die Präsidentin der Deutschen Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, der «Berliner Zeitung» (Montagsausgabe).

Die Menschen in den überfluteten Gebieten wollen nach Angaben der Diakonie Katastrophenhilfe so schnell wie möglich mit dem Wiederaufbau beginnen. «Die Leute sind schockiert, aber sie wollen etwas tun, sie wollen ihre Häuser wieder aufbauen», sagte der Sprecher des evangelischen Hilfswerks, Rainer Lang, in der Nähe von Peshawar in einem epd-Gespräch.

«Da liegt kein Stein mehr auf dem anderen»
Das Ausmaß der Katastrophe übersteige jegliches Vorstellungsvermögen. «Es gab 21 Dörfer, die zwischen zwei Flüssen lagen, sie wurden völlig zerstört», berichtete er aus der Region Charsadda. «Da liegt kein Stein mehr auf dem anderen.» Die Lehmhäuser seien eingestürzt, die Ernten auf den Feldern vernichtet und das Vieh ertrunken.

Viele Menschen campierten unter Plastikplanen an sechsspurigen Straßen, müssten die hohe Feuchtigkeit und die enorme Hitze ertragen. Auch der vor wenigen Tagen begonnene islamische Fastenmonat Ramadan sei für Flutopfer und Helfer ein Problem, weil sie von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder trinken noch essen dürften.

Frauen besonders gefährdet
Frauen sind nach Einschätzung von Amnesty International besonders gefährdet. «Es werden sicherlich mehr Frauen durch die Flutkatastrophe sterben als Männer, weil sie nicht in der Lage sind, sich selbst zu versorgen», sagte die Pakistan-Expertin der Menschenrechtsorganisation, Sigrid Krieg, in einem epd-Gespräch. Das gelte auch für die Verteilung von Hilfsgütern. Frauen könnten etwa nicht Schlange stehen, denn es gehöre sich in Pakistan nicht, dass Männer und Frauen sich mischten.

Krieg warnte auch vor einer «Talibanisierung» der Gesellschaft, wenn die Regierung zu wenig Hilfe leiste. Radikal-islamische Extremisten könnten ihren Einfluss ausdehnen und die Stellung der Frau weiter verschlechtern.