Kirche beklagt historischen Priestermangel - und kündigt Initiativen an

Rekordtief in Krisenmonaten

Schon seit Jahren wollen immer weniger junge Männer katholische Priester werden. 150 waren es in den zurückliegenden zwölf Monaten. So wenige wie nie zuvor. Die Bischöfe führen das auch auf den Missbrauchskandal zurück - und wollen weiter für ihren Beruf werben.

 (DR)

Im Interview mit der Nachrichtenagentur dpa teilte der Vorsitzende der Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, mit, die Zahl der Neubewerber liege mit deutschlandweit 150 auf einem Rekordtief. 2006 hatten sich noch 211 junge Männer beworben. Die Kirche werde daher ihre Werbung für den Priesterberuf verstärken.

Schon im Frühjahr hatten die Bischöfe zum Abschluss der Frühjahrsvollversammlung neue Konzepte angekündigt, um wieder mehr junge Männer für den Priesterberuf zu gewinnen. Das Werben um Priesternachwuchs solle künftig stärker in alle Bereiche der kirchlichen Seelsorge eingebunden werden. Um neue Ideen zu erarbeiten, seien künftig mehr hauptamtliche Priester und Nichtkleriker nötig, die sich in ihrer Arbeit nur auf die Gewinnung neuer Priester konzentrieren sollen.

In dem aktuellen Interview äußerte sich Zollitsch nun noch konkreter: Mit Informationsveranstaltungen, Berufungsgruppen und gemeinsamen Wallfahrten werde man gezielt auf die geistlichen Berufe aufmerksam machen. Zudem würden Ministranten angesprochen mit dem Ziel, sie für einen Berufsweg innerhalb der Kirche zu begeistern - unter anderem bei der Ministrantenwallfahrt diese Woche nach Rom, an der rund 45.000 Messdiener teilnehmen.

Noch sorgfältigere Auswahl
Eine schnelle Trendwende sei nicht zu erwarten, sagte der Freiburger Hirte nun. "Man kann die Schäden eines Erdbebens nicht durch gute Worte beseitigen, sondern indem man auf dem Fundament Aufbauarbeit leistet", sagte der Erzbischof. "Wir durchleben große Erschütterungen, ja die wohl tiefste Krise der katholischen Kirche in Deutschland seit 1945." Die Kirche müsse dies als Chance verstehen. "Mit vereinten Kräften wollen wir versuchen, das verlorene Vertrauen zurückzugewinnen."

Durch den Skandal sei ein ganzer Berufsstand beschädigt worden und bei so manchem in Misskredit geraten. "Was ungerecht und unfair ist", so Zollitsch. Das sündige und verabscheuungswürdige Verhalten einiger Priester habe den ganzen Beruf in der öffentlichen Wahrnehmung erfasst. Dadurch habe der Priesterberuf ein falsches Image bekommen. "Es ist völlig übersehen worden, was die mehr als 99 Prozent der Priester, die sich nichts haben zuschulden kommen lassen, eigentlich in den Gemeinden und für die Gesellschaft leisten."

Der Rückgang der Bewerberzahlen lasse sich durch eine starke Verunsicherung erklären. "Ein weiterer Grund liegt in unserer noch sorgfältigeren Auswahl." Es gebe intensive Vorgespräche, an denen auch Psychologen beteiligt seien. "Bei diesen Gesprächen wird geprüft, ob die Interessenten die richtige Motivation, die Kommunikationsfähigkeit und auch die Reife mitbringen, diesen Weg einzuschlagen." Zur Zahl der Bewerber, die abgelehnt werden, machte Zollitsch keine Angaben.