Gedenken an die 21 Todesopfer der Loveparade-Katastrophe - Kraft verspricht Aufklärung

"Stärker als der Tod ist die Liebe"

Eine Woche nach der tödlichen Massenpanik bei der Loveparade in Duisburg haben Kirchenvertreter den Angehörigen der Opfer in einer ökumenischen Trauerfeier Trost zugesprochen. Der Essener Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck sagte, die Liebe trage durch die Schrecken dieser Tage hindurch. "Die Loveparade wurde zum Totentanz", sagte der rheinische Präses Nikolaus Schneider in der evangelischen Salvatorkirche. Stärker als der Tod sei jedoch die Liebe von Menschen zueinander.

 (DR)

Jesus habe die Menschen nicht vor dem Leid der Loveparade-Katastrophe bewahrt, und er bewahre auch nicht vor vielem anderen Leid, sagte Bischof Overbeck: «Und doch heilt er und ist da: für die Toten, für die Verletzten, für die Trauernden, für die Fragenden und auch für diejenigen, die sich der Verantwortung stellen müssen.»

Schneider, der auch amtierender Ratsvorsitzender der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ist, unterstrich, dass der Glaube an Gott keine Versicherung gegen Erfahrungen des Leides und des Todes sei. «Aber wir können darauf vertrauen: Gottes liebevolle Gegenwart auf allen unseren Wegen ist uns zugesagt.»

Schreckensbilder besetzten das Denken und Fühlen, sagte der gebürtige Duisburger Schneider. Mit Blick auf die Verantwortlichen der Katastrophe fügte er hinzu, dass dazu auch Erwachsene gehörten, «die wie versteinert Verantwortung von sich weg schieben».

Zu dem Gedenken erwartete Duisburg am Samstag mehrere Zehntausend Besucher, darunter Bundespräsident Christian Wulff, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), Außenminister Guido Westerwelle (FDP) und Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD).

Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) wollte der Veranstaltung fernbleiben, um nach eigenen Angaben Rücksicht auf die Gefühle der Hinterbliebenen zu nehmen. Er steht seit Tagen unter Druck, weil er bislang die Übernahme politischer Verantwortung und einen Rücktritt ablehnt.

Kraft sichert Aufklärung der Loveparade-Katastrophe zu
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) hat eine lückenlose Aufklärung der Loveparade-Katastrophe von Duisburg zugesichert. Die Fragen nach Schuld und Verantwortung «müssen und werden eine Antwort finden», sagte die sichtlich bewegte Regierungschefin am Samstag im Anschluss an den ökumenischen Trauergottesdienst für die 21 Todesopfer.

Allen unmittelbar Betroffenen und Zeugen der Katastrophe «sind wir es schuldig, das Geschehene und Unfassbare aufzuklären», sagte die Ministerpräsidentin. Auf der Loveparade war es am vergangenen Samstag in Duisburg zu einer Massenpanik gekommen. 21 Menschen kamen im Gedränge ums Leben, mehr als 500 wurden verletzt. Behörden und Veranstalter stehen seit Tagen unter Druck, für Aufklärung zu sorgen und Verantwortung zu übernehmen.

Mit tränenerstickter Stimme sprach Kraft den Angehörigen der Getöteten ihre Anteilnahme aus. «Es ist schwer, Worte zu finden angesichts des Todes», sagte sie. Jede Katastrophe werfe die Frage nach dem «Warum» auf. «Für diese Katastrophe gilt das in besondere Weise», sagte Kraft. 21 junge Frauen und Männer aus ganz Deutschland seien ums Leben gekommen, aus Australien, Bosnien-Herzegowina, China, Italien, den Niederlanden und aus Spanien.

Der Bundespräsident kündigte in der "Bild am Sonntag" an, er wolle ehrenamtliche Helfer auszeichnen. Zunächst stehe aber die Trauer im Mittelpunkt. "Es geht darum, den Angehörigen zu zeigen, dass die gesamte Nation ihnen beisteht", sagte das Staatsoberhaupt.

Merkel, die vor der Feier Angehörige der Opfer getroffen hatte, äußerte sich anschließend bewegt. Die Gespräche seien ihr "sehr zu Herzen gegangen", sagte sie demselben Blatt. "Aus dem schrecklichen Ereignis von Duisburg müssen jetzt die richtigen Konsequenzen gezogen werden", so Merkel.

Trauermarsch für die Opfer
Rund 1.000 Menschen haben am Samstagnachmittag in Duisburg mit einem Trauermarsch der 21 Todesopfer der Loveparade gedacht. Nach Auskunft eines Polizeisprechers verlief die angemeldete Veranstaltung bis zum späten Nachmittag "absolut friedlich". Die Veranstalter hatten mit mehreren tausend Teilnehmern gerechnet. Der Trauermarsch führte vom Duisburger Hauptbahnhof bis zu einer Grünanlage in der Nähe des Unglückstunnels.

Der Tunnel des ehemaligen Güterbahnhofs, an dem sieben Tage zuvor Menschen starben und mehr als 500 teilweise schwer verletzt wurden, war am Samstag zeitweise gesperrt. Nach dem Trauermarsch sollten Teilnehmer in kleineren Gruppen die Möglichkeit bekommen, bis zur Absperrung vor dem Tunnel zu gehen, um dort Kerzen zu entzünden oder Blumen niederzulegen.

Nach Auskunft eines Polizeisprechers verhielten sich die Teilnehmer des Trauermarsches dem Tag der Trauer angemessen. "Da ist kein Zorn feststellbar", sagte er dem epd. Für den frühen Abend ist in einem Park in der Nähe des Katastrophen-Tunnels eine Schweigeminute zu Ehren der Todesopfer der Loveparade geplant.

Overbeck ruft zu Demut auf
Ruhrbischof Franz-Josef Overbeck hatte im schon Vorfeld der Feier die Menschen angesichts der Loveparade-Katastrophe zu Demut aufgerufen. «Vielleicht brauchen wir mehr Demut in einer Zeit, in der alles größer, schneller, lauter, grenzenloser sein muss», schreibt der Bischof von Essen in einem Gastbeitrag für die Zeitungen der WAZ-Mediengruppe (Samstagausgabe).

Das «Immer mehr» und «Immer größer» habe eine Grenze. Die Loveparade stand nach den Worten des Bischofs «möglicherweise auch für die Illusion von Grenzenlosigkeit». Er müsse zwar zugeben, dass es mit Stolz erfülle - je größer die Zahlen sind - «was wir in unserer Region auf die Beine stellen». «Die Demut aber lehrt, dass Größe etwas anderes ist als das, was Zahlen sagen.»

Die Wahrheit über die Katastrophe von Duisburg müsse auf den Tisch, forderte Overbeck. Und diejenigen, die am Tag der Loveparade und im Vorfeld Verantwortung hatten, müssten auch zu ihrer Verantwortung stehen.

Mit deutlichen Worten widersprach Overbeck jenen, die jetzt behaupten, «Gott habe mit der Tragödie ein Urteil gesprochen». Overbeck: «Das ist furchtbar anmaßend und vergrößert den Schmerz aller Betroffenen.»