Das Rote-Khmer-Tribunal rüstet sich für "Fall 2"

Schwieriges Unterfangen

Das erste Urteil im Rote-Khmer-Prozess ist kaum gesprochen, da rüstet sich das Tribunal in Phnom Penh für "Fall 2". Vier ehemalige Mitglieder des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei müssen sich unter anderem wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten.

Autor/in:
Michael Lenz
 (DR)

Am Montag hatten die Richter Rote-Khmer-Gefängnischef Kang Kek Eav alias Duch zu 35 Jahren Haft verurteilte - von denen er aber nur 19 absitzen muss. Bis es im zweiten Fall zu einem Urteil kommt, wird noch einige Zeit vergehen. Mit der formalen Anklageerhebung wird nicht vor Ende September gerechnet. Seit Mitte 2007 sitzen die vier früheren Führungskader der Jahre 1975 bis 1979 in Untersuchungshaft: der ehemalige Stellvertreter des Rote-Khmer-Diktators Pol Pot, Nuon Chea, Ex-Staatspräsident Khieu Samphan, der ehemalige Außenminister Ieng Sary sowie dessen Gattin Ieng Thirit, die dem Rote-Khmer-Regime als Sozialministerin diente.

"Das Verfahren im 'Fall 2' wird ungleich schwieriger als im ,Fall 1'", prophezeit der Historiker David Chandler, ein Experte für die jüngere kambodschanische Geschichte. "Fall 1" sei wegen vieler erhaltener Archivdokumente zum Foltergefängnis von Tuol Sleng vergleichsweise einfach zu bearbeiten gewesen. In dem Gefangenenlager hatten der verurteilte Duch und seine Untergebenen rund 14.000 Menschen umgebracht. Im "Fall 2" hingegen, so Chandler, seien Schriftstücke und andere Dokumente Mangelware. Auch der Landesdirektor des Deutschen Entwicklungsdienstes ded in Kambodscha, Wolfgang Möllers, fürchtet Schwierigkeiten: "Die Beweisführung, dass die vier die politischen Verantwortlichen für die Verbrechen tragen, wird schwierig werden."

Tausende Nebenkläger
Eine möglichen Strategie für die Verhandlungen haben die Richter indes schon im ersten Fall angedeutet. In der Urteilsbegründung gegen Duch wird die Führung der Roten Khmer als eine kriminelle Vereinigung bezeichnet, die ihre Verbrechen "systematisch" begangen habe. Und nicht zuletzt deswegen wurde Duch, obwohl er nicht zur obersten Kaderebene gehörte, zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Genau diese Sichtweise auf die Roten Khmer könnte auch in Fall 2 eine wichtige Rolle spielen.

Offen hingegen ist, welches Gewicht das Tribunal den fast 4.000 Überlebende der Schreckensherrschaft zumisst, die als Nebenkläger bei den Verhandlungen zugelassen sind. Eine von ihnen ist Ket Sokhan. Die 46-Jährige gehört zu den vielen Tausend Kambodschanerinnen, die von den Roten Khmer zwangsverheiratet wurden. Nach der Massenhochzeit musste unter den Augen von Spionen der Roten Khmer die Ehe vollzogen werden. Sexverweigerung war ausgeschlossen. "Sie hätten uns umgebracht", sagt Ket Sokhan, die in einem Dorf in der Provinz Kampot lebt.

Erstmals Ahndung vom geschlechterbezogenen Verbrechen
"Gender based Crimes" (geschlechterbezogene Verbrechen) heißen solche Untaten im Fachjargon. Die Berliner Anwältin Silke Studzinski hat beim Studium von Akten, Dokumenten und historischen Unterlagen Fälle wie die von Ket Sokhan vor das Gericht gebracht. "Die waren im Prinzip schon bekannt", sagt die Juristin, die im Auftrag von ded und Zivilem Friedensdienst (ZFD) Nebenkläger vor dem Tribunal vertritt. "Jemand, der am Rote-Khmer-Tribunal der Vietnamesen 1979 beteiligt war, sagte mir: ,Wir wussten davon, sind dem aber nicht nachgegangen.' Derselbe Fehler wäre jetzt fast wieder begangen worden."

Ket Sokhan und anderen Nebenklägern geht es unterdessen um mehr als nur persönliche Genugtuung. Sie wollen Gerechtigkeit für die vielen Menschen, die wegen ihres Geschlechts, ihrer Religion oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit gepeinigt, gemartert, ermordet wurden. Sokhan ist sich bewusst, dass die Verteidigung ihr vorhalten wird, dass sie noch immer mit ihrem unter Zwang geheirateten Gatten Iv Sem zusammenlebt. Für sie zählt jedoch nur eines: "Wir wurden durch Zwang verheiratet. Das war falsch."