Kinderschutzbund und BDKJ raten Eltern zu mehr Aufmerksamkeit bei Jugendreisen

Alptraum auf Ameland

Angesichts des Missbrauchskandals bei einer Osnabrücker Sportbundfreizeit auf der Insel Ameland hat der Präsident des Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, an die Eltern appelliert, "ganz genau darauf zu achten, mit wem sie ihre Kinder in den Urlaub schicken". Auf Ameland soll es bis zu acht Fällen von Vergewaltigung gekommen sein. Der BDKJ versichert, seine Jugendreisen seien sicher.

 (DR)

Auch bei Reisen mit freien Trägern sollte es selbstverständlich sein, dass die Leitung eine gute sozialpädagogische Ausbildung, möglichst ein entsprechendes Studium und ausreichende Erfahrung habe, sagte Hilgers der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Donnerstagsausgabe). Die Betreuer sollten mehrfach und gründlich geschult worden sein.

Hilgers riet Eltern, bei solchen Reisen auf Vorbereitungstreffen zu bestehen und auch selbst daran teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit könnten sie sich ein Bild von Betreuern und Teilnehmern machen. Die Betreuer von Jugendreisen rief Hilgers auf, sich vor Ort regelmäßig einmal am Tag zusammensetzen und Erfahrungen auszutauschen.

Der Präsident des Kinderschutzbunds betonte, dass er bisher den Eindruck gehabt habe, «dass die freien Träger ihre Angebote sehr ordentlich organisieren». Vermutlich sei das auch bei dem Feriencamp auf Ameland der Fall gewesen. Dann allerdings sei die einzige Erklärung, die er für den Vorfall habe, «dass einige Betreuer Urlaub gemacht haben, statt ihre Aufgaben wahrzunehmen». Das Klima der Angst und Gewalt, das dort geherrscht haben muss, müsse ihnen sonst aufgefallen sein.

Alptraum auf Ameland

Für die rund 170 Kinder und Jugendlichen sollten es zwei schöne Wochen werden. Ohne die Eltern mit Gleichaltrigen in den Urlaub fahren, am Sandstrand spielen und in der Nordsee baden - all das sollte bei einer Ferienfreizeit des Stadtsportbundes Osnabrück auf der Insel Ameland möglich sein. Für sechs Jugendliche aber wurden die Sommerferien zu einem Alptraum. In einem Jungen-Schlafsaal soll es während der Freizeit zu sexuellen Übergriffen zwischen den Kindern und Jugendlichen gekommen sein. Staatsanwaltschaft und Polizei ermitteln nun in dem Fall.

Die Ermittler gehen inzwischen von bis zu 13 Tatverdächtigen aus. Zwei Kinder aus dem Täterkreis seien noch nicht strafmündig. Zum Kreis der Täter gehören auch zwei 13-Jährige, die zunächst selber Opfer waren. Drei der Verdächtigen haben die Tat bereits gestanden.

Flucht über Feuerleitern

Demnach wurden die sechs Opfer, die alle 13 Jahre alt waren, von den älteren Jugendlichen in die Mitte des Schlafsaals gezerrt und dort mit Gegenständen sexuell missbraucht. Weitere Versuche seien nur daran gescheitert, dass sich Opfer verzweifelt an ihren Betten festgekrallt hätten, über Feuerleitern geflüchtet seien oder erheblichen Widerstand geleistet hätten, sagte der Leiter des Osnabrücker Jugendschutz-Kommissariats, Berndt Klose.

Mit der Aufklärung der Vorfälle ist eine vierköpfige Ermittlungsgruppe der Staatsanwaltschaft und der Polizeiinspektion Osnabrück beauftragt. Von besonderem Interesse dürfte für sie auch das Verhalten der Betreuer sein. Es sei nicht auszuschließen, dass sich Betreuer der unterlassenen Hilfeleistung schuldig gemacht hätten, hieß es am Mittwoch. So sollen sich Kinder hilfesuchend an die Gruppenleiter gewandt haben, diese sollen jedoch nicht eingeschritten sein.

Erster Rücktritt

Der Leiter des Feriencamps in dem niederländischen Dorf Buren soll deshalb bereits von seinem Ehrenamt beim Stadtsportbund zurückgetreten sein. Der Leiter des Verbands, Wolfgang Wellmann, machte dazu mit Verweis auf die polizeilichen Ermittlungen am Mittwoch jedoch keine Angaben. Er zeigte sich schockiert."Wir sind tief betroffen, was dort passiert ist. Uns tut das unendlich leid", sagte er.

In Zukunft wolle man in den Vorgesprächen zu solchen Feriencamps das Thema Zivilcourage noch stärker in den Vordergrund stellen. "Es geht mir einfach nicht in den Kopf, dass keiner der Teilnehmer mit seinem Handy hinter eine Düne gegangen ist und angerufen hat, als das passiert ist", sagte Wellmann.

7.000 Jugendliche auf katholischen Sommer-Freizeiten

Rund 7.000 Kinder und Jugendliche nehmen in den kommenden Wochen an Ferienfreizeiten der katholischen Jugendverbände im Erzbistum Köln teil. Insgesamt seien knapp 200 Freizeiten und Sommerlager von Ortsgruppen organisiert worden, teilte der Diözesanverband des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) am Mittwoch in Köln mit. Nahezu die Hälfte davon finde in Deutschland statt. Weitere Ziele seien unter anderem Dänemark, die Niederlande, Italien, Polen, Frankreich, Österreich und Griechenland.

Wegen der ehrenamtlich geleisteten Betreuung seien die Angebote der Jugendverbände günstiger als kommerzielle Fahrten, hob der BDKJ hervor. Daneben würden einkommensschwache Familien zusätzlich von Fördervereinen, Pfarreien oder der Jugendstiftung Morgensterne unterstützt. Ferienfreizeiten ohne Eltern dienten auch der Entwicklung eigener Stärken. Hier könnten junge Menschen lernen, Verantwortung für sich zu übernehmen und Selbstvertrauen schöpfen. Auch hätten sie die Möglichkeit, Gemeinschaft zu erleben und sich als Person weiterzuentwickeln.

Gegenüber domradio.de sagte der Diözesanvorsitzende Tobias Agreiter, die eingesetzten Betreuer seien im Rahmen eines Maßnahmenpaketes sorgfältig ausgewählt und geschult worden. Zudem habe im Rahmen der Missbrauchsdebatte der vergangenen Monate eine Sensibilisierung der Mitarbeiter stattgefunden, so dass eine erhöhte Aufmerksamkeit der Betreuer auf den Ferienfreizeiten garantiert sei.